Putin muss Staatskonzerne verkaufen: „Wir brauchen das Geld“

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„Putins Wende ostwärts ist bisher weitgehend ein Rohrkrepierer.“

Ökonomisch rechnen sich große Gaslieferabkommen des vom Kreml kontrollierten Konzerns Gazprom keineswegs, so Brüggmann. Ein geplantes chinesisches Autowerk in Russland scheiterte an Pekings Vorstellungen, die Arbeitskräfte gleich mitbringen zu wollen, während Moskau auf neue Jobs hoffte. Dafür kommt nach BMW und VW nun auch Daimler mit einer Kfz-Produktion nach Russland. Russische Bankchefs klagen darüber, dass chinesische Finanzierungspläne viel größer angekündigt als umgesetzt würden. In der Folge sind von 116 Milliarden Dollar, die China im vorigen Jahr im Ausland investiert hat, gerade einmal 794 Millionen zum flächenmäßig großen Nachbarn geflossen, 0,7 Prozent. Strategische Partnerschaften oder gar ein geopolitischer Kurswechsel sehen anders aus.

Nun soll der Verkauf von Russlands Tafelsilber helfen: Doch das gestaltet sich nur schleppend, weil sich wegen der schlechten Konjunktur nur schwer solvente Käufer finden lassen, und trägt obendrein eigenartige Blüten, zum Beispiel wenn ein Staatskonzern versucht, einen anderen russischen Staatskonzern zu kaufen.
Wie die Nachrichtenagentur dpa heute meldet, steckt Russlands Anlauf zur Privatisierung von Staatsvermögen fest, noch ehe er recht begonnen hat. Eine Billion Rubel (13,8 Milliarden Euro) sollen eigentlich in diesem Jahr in die Kasse kommen, um in Krisenzeiten das tiefe Haushaltsloch zu stopfen.

Von fünf großen Aktienpaketen will sich Moskau dieses Jahr trennen.

Es geht um Kronjuwelen wie die Ölkonzerne Rosneft und Baschneft, um den Diamantenschürfer Alrosa, die Bank VTB und die Reederei Sovkomflot. Das wäre die größte Welle an Privatisierungen seit den 1990er Jahren. Doch bislang hat nur der Teilverkauf von Alrosa geklappt, drei weitere Geschäfte hinken dem Zeitplan hinterher.

Zuletzt wurde der Verkauf von Baschneft verschoben. Der Vorgang zeigt, warum Entstaatlichungen in Russland derzeit schwierig sind. Wegen der schwachen Ölpreise ist der Börsenwert der Ölfirmen niedrig. Die Regierung will ihre 50 Prozent am Baschneft-Kapital vollständig veräußern. Umgerechnet 3,6 Milliarden Euro war dieser Anteil wert, bevor ihn die Verschiebung noch weiter in den Keller schickte.

Es gibt in Russland auch nicht mehr viele Großfirmen, die für die Aktien bieten könnten. Unter Putin hat der Staat seinen Anteil an der Wirtschaft auf 55 Prozent gesteigert (Stand 2015). So bewarb sich neben dem Konzern Lukoil (privat) auch der Ölgigant Rosneft (staatlich) um Baschneft. „Das ist doch Unsinn! Wie kann eine staatsgeführte Firma eine andere Staatsfirma kaufen. Das ist keine Privatisierung“, sagte Putins Berater Andrej Belousow. Rosneft wurde ausgeschlossen, obwohl Vorstandschef Igor Setschin ein Weggefährte des Kremlchefs ist. Doch Setschins Stern scheint zu sinken. Auch das ist Teil des Problems: Beim Ringen um Filetstücke der Wirtschaft wird in Moskau weniger ökonomisch als politisch entschieden.

Bei Baschneft stellte sich auch noch die Teilrepublik Baschkortostan am Ural quer, die 25 Prozent besitzt und um ihre Steuern fürchtete. Also wurde der Verkauf auf unbestimmte Zeit verschoben – mindestens bis nach der Parlamentswahl am 18. September.

Schwache Ölkonjunktur lässt Verkäufer zögern

„Wenn sich nichts ändert, werden wir Ende nächsten Jahres keine Reserven mehr haben“, warnt Vizefinanzministerin Tatjana Nesterenko. Aber kurz vor der Präsidentenwahl 2018, bei der Putin möglicherweise wieder antritt, kann sich Moskau ökonomische Turbulenzen nicht leisten.

Im krisensicheren Diamantengeschäft hat Russland 725 Millionen Euro für 10,9 Prozent Anteil am weltweit größten Förderer Alrosa erlöst. „Bislang sind alle Privatisierungsgeschäfte bei guter Marktlage gemacht worden. Wir haben gezeigt, dass es auch bei schlechter Marktlage geht“, freute sich Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew.

Interessenten waren zu je 35 Prozent russische und europäische Investoren, dazu 25 Prozent Fonds aus dem Nahen Osten oder Fernost. Kapitalgeber aus den USA hielten sich zurück wegen der Sanktionen gegen Russland in der Ukraine-Krise.

Die Öl- und Gastanker-Reederei Sovkomflot ist bislang vollständig in Staatsbesitz. Die Regierung will sich für 330 Millionen Euro von einem Viertel der Aktien trennen. Doch der richtig dicke Brocken bei der Privatisierung wäre der Verkauf von 19,5 Prozent am Ölkonzern Rosneft, mit dem Moskau 9,72 Milliarden Euro erlösen möchte.

Putin erwägt hier, Außenpolitik zu betreiben: China und Indien könnten sich die Aktien teilen. So wären die großen Energiekunden eingebunden. Zugleich wären sie ein Gegengewicht zu den 20 Prozent der britischen BP an Rosneft. Doch auch hier lässt die schwache Ölkonjunktur die Verkäufer zögern.

„Es ist nicht die beste Zeit“, sagte Vize-Regierungschef Igor Schuwalow auch über den Verkauf von 10,9 Prozent der Bank VTB (früher Wneschtorgbank). So könnte sich das Geschäft auf 2017 verschieben. „Es muss schließlich auch für nächstes Jahr etwas übrig bleiben“, tröstete sich der Politiker, wie die Agentur Interfax meldete.

Der große Reichtum, den das Reich der Mitte Russland bringen sollte, ist in Moskau bisher kaum angekommen. Einzige Ausnahme sind Menschen wie Leonid Michelson, der in der Geldrangliste des Magazins „Forbes“ nun als Russlands reichster Mann rangiert. Geschätztes Vermögen: 14,4 Milliarden Dollar. Das hat er auch dank guter Geschäfte seiner Konzerne Novatek (Gas) und Sibur (Chemie) mit Chinas Energieriesen eingefahren – wenngleich bisher noch kein Gramm Flüssiggas von der sibirischen Eismeerhalbinsel Jamal in China angelandet wurde.

Aber immerhin sind Michelsons Firmen erfolgreich im China-Geschäft. Das können andere russische Unternehmen kaum von sich behaupten – und so fiel der beiderseitige Handel voriges Jahr mit 63,6 Milliarden Dollar sogar um 28 Prozent niedriger aus als 2014.

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5 KOMMENTARE

  1. Die Sanktionen der EU wurden koordiniert mit dem von Soros maßgeblich angezettelten Theater in der Ukraine.
    Bekommt Russland nun finanzielle Schwierigkeiten wegen dieses Kriegsschauplatzes,
    so können dank der EU Spekulanten wie Soros ihre Wetten darauf abschließen.

    Barroso hat sich mit seiner GoldmannSachs-Pfründe ja schon geoutet. Wieviel Geld kriegen Juncker und Co von wem, damit sie im Interesse von Spekulant A oder Bank B Krisenherde mit anrühren?

    Die EU-Sanktionen gegen Russland sind für Europa genauso schlecht wie für Russland.
    Wieder eine tolle Stümperleistung dieser Lobby-Marionetten in Brüssel und Berlin.

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