Zahnärztin verspricht Desinfektion des Treppenhauses nach Asyl-Notbehandlung

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Die Erfurter Zahnärztin Kathleen Trobisch distanziert sich von rassistischen Untestellungen, nur weil sie das Treppenhaus und die Türen nach der Behandlung von Asylbewerbern desinfiziert. (Foto: Zahnarztpraxis-Trobisch.de)
Die Erfurter Zahnärztin Kathleen Trobisch distanziert sich von rassistischen Untestellungen, nur weil sie das Treppenhaus und die Türen nach der Behandlung von Asylbewerbern desinfiziert. (Foto: Zahnarztpraxis-Trobisch.de)

Die Erfurter Zahnärztin Kathleen Trobisch aus der Gorkistraße 15 distanziert sich „energisch gegenüber jeglicher rassistischer Darstellungen im Internet über mich und mein Praxisteam!“ und reagiert damit auf einen Shitstorm in Sozialen Medien, der über sie hereinbrach, als sie am 14. November 2015 die anderen Mieter in der Gorkistraße 15 wie etwa die Fotografin Barbara Neumann (Foto Thüringen) oder den Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Diplomkaufmann Ulrich Horn, dessen Kanzlei auch auf Englisch und Russisch berät,  davor warnte, dass zu ihrem bevorstehenden Zahnarzt-Notdienst vom Freitag, 28. November 2015, 8 Uhr, bis Sonntag, 1. Advent, 8 Uhr, auch Asylsuchende in ihre blitzsaubere und farbenfrohe  Praxis zwischen dem Königin-Luise-Gymnasium und der Alten Oper kommen werden.

Nich auf Einladung der Ärztin. In ihrem Aushang entschuldigt sich die Zahnärztin gegenüber den Hausbewohnern damit, „dass wir vom Gesetzgeber verpflichtet wurden, Asylsuchende im Notdienst zu behandeln.“

Stein des Anstoßes: die Information der Zahnarztpraxis an die Werten Hausbewohner! (Screenshot Facebook/Arbeitskreis feministischer Muslima in der NPD)
Stein des Anstoßes: die Information der Zahnarztpraxis an die Werten Hausbewohner! (Screenshot Facebook/Arbeitskreis feministischer Muslima in der NPD)

Sie muss die „Werten Hausbewohner!“ nun bitten, die Parplätze der Praxis an diesem Wochenende freizuhalten, denn die Asylsuchenden „können uns mit einem Sammeltransport zugewiesen werden.“

Damit bei dem möglichen Asylantenansturm nichts Schlimmes passiert, hat die Zahnärztin an die Hausbewohner zwei Bitten: „Lassen Sie bitte – im eigenen Interesse – keine Wertgegenstände im Treppenhaus oder Auto liegen.“ Und: „Lassen Sie bitte die Hauseingangs- und Nebeneingangstüren nicht offen stehen.“

Und dann kommt zum Teil fett gedruckt die Warnung, die wohl jedem Hausbewohner einen Schauer über den Rücken jagt:  „Wir wurden vom Robert-Koch-Institut und Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz informiert, dass bei Asylsuchenden unter anderem folgende übertragbare Krankheiten diagnostiziert wurden: Läuse, Krätze, Lungen-Tuberkulose, Lassa-Fieber, Krim-Kongo-Fieber, baterielle Meningitis, Masern, Typhus, EHEC.“

Das EHEC (Abkürzung von enterohämorrhagische Escherichia coli) ist ein Bakterium, das lebensgefährliche Darminfekte verursacht.

Stehen für Gesundheit, Ordnung und Sauberkeit: Zähnärztin Kathleen Trobisch im Vordergrund und ihre Team Zahntechnikmeisterein Doreen Löbel, Prophylaxe-Assistentin Antje Koch, Auszubildende Katja Kornhaas und eine weitere Mitarbeiterin. (Foto: Zahnartzpraxis-Tobisch.de)
Stehen für Gesundheit, Ordnung und Sauberkeit: Zähnärztin Kathleen Trobisch im Vordergrund und ihr Team von links nach rechts Zahntechnikmeisterein Doreen Löbel, Prophylaxe-Assistentin Antje Koch, Auszubildende Katja Kornhaas und eine weitere Mitarbeiterin. (Foto: Zahnartzpraxis-Trobisch.de)

Doch um die Wogen bei den Hausbewohnern der Gorkistraße 15 gleich wieder zu glätten, verspricht die Ärztin mit ihrem vierköpfigen Team: „Nach Abschluss des Notdienstes werden wir im unteren Treppenhaus und Türen geeignete Desinfektionsmaßnahmen durchführen.“

Aber Mitmachen beim Großreinemachen nach dem Asyl-Notdienst wäre auch nicht schlecht. Hier bietet die Ärztin den Hausbewohnern folgende Hilfe an: „Selbstverständlich stellen wir Ihnen bei Bedarf Desinfektionsmittel zur Verfügung.“

Es dauerte nicht lange, da hing diese Information nicht nur im Treppenhaus, sondern auch im Netz. Die linksaktivistische Facebook-Seite „Arbeitskreis feministischer Muslima in der NPD“ verbreitete die Hinweise am Dienstag.

Die Meinungen sind geteilt und reichen von „rassistisch“ bis „wahr“.

So kommentiert der Facebook-User Mansa Musa: „1. Es gibt ein anderes Krankheitsrisiko für Geflüchtete mit all den Strapazen hinter ihnen als für wohlgenährte 1. Welt Bewohner.
2. Die Art der Formulierung ist nicht neutral-warnend, sondern klar von rassistischen Vorurteilen geprägt: „(…) lassen Sie keine Wertgegenstände (…) liegen (…)“. Eine sachgerechte, neutrale Warnung sieht anders aus.“

Chris Gotzmann, Chef einer Marketing-Agentur aus Heilbronn, kontert: „Ähm… schon mal drüber nachgedacht, dass das nix mit Rassismus zu tun, sondern einfach nur objektive Tatsachenbeschreibung und Informierung der eigenen Patienten?“

Der Präsident der Landeszahnärztekammer Thüringen, Dr. Christian Junge, erklärte hierzu: „Wir Thüringer Zahnärzte distanzieren uns ausdrücklich von dem Aushang dieser einzelnen Praxis. Der Inhalt war geeignet, Asylsuchende pauschal zu kriminalisieren, zu diffamieren sowie Patienten und Anwohner gegen Asylsuchende aufzuhetzen. Dies widerspricht nicht nur unseren Werten der Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und unserem zahnärztlichen Berufsethos. Es widerspricht auch der Arbeit vieler Kolleginnen und Kollegen, die sich in den letzten Tagen unbürokratisch und mit großem Engagement für Flüchtlinge einsetzen und damit ein Teil unserer positiven Willkommenskultur sind.“

Die Landesärztekammer Thüringen teilte auf ihrem Facebook-Account am 24. November 2015 mit: „Der Aushang ist der Landeszahnärztekammer seit heutigen Dienstag, 24. November, 9:46 Uhr bekannt. Die Landeszahnärztekammer hatte die Berufskollegin daraufhin sofort ultimativ zur Entfernung aufgefordert. Der Aushang ist mittlerweile durch die Zahnärztin selbst abgenommen worden. Nach einer ersten vorläufigen Einschätzung war der Text inhaltlich berufswidrig. Die Kammer behält sich vor, Strafanzeige gegen die Erfurter Zahnärztin zu erstatten.

Behandlung der Thüringer Bevölkerung und der asylsuchenden Patienten ist sicher

Bereits Anfang November hatte die Landeszahnärztekammer gemeinsam mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Thüringen alle berufstätigen Zahnärzte im Freistaat über wichtige Fragen der zahnmedizinischen Behandlung von Asylsuchenden informiert. Danach sind die ohnehin bei jeder Behandlung anzuwendenden Hygienestandards in den Thüringer Zahnarztpraxen ausreichend und sicher, soweit die vom Robert-Koch-Institut und vom Deutschen Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizin empfohlenen Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe angewandt werden. Dies gilt auch bei in Thüringen üblicherweise seltenen Infektionskrankheiten.“

Zahnärztin Kathleen Trobisch fühlt sich zu Unrecht angegriffen, sie spricht von einer Hetze gegen sie und ihr Team. Auf ihrer Praxis-Seite im Internet nimmt sie wie folgt Stellung:

Die Zahnärztin steht zu ihrer Information an die Hausbewohner und ihren Maßnahmen nach der Asylanten-Zahnnotbehandlung im Haus Gorkistraße 15 in Erfurt und kündigt rechtliche Schritte gegen jeden an, der sie oder ihr Team als rassistisch verunglimpft. (Ausriss website Zahnarztpraxis-Trobisch.de)
Die Zahnärztin Kathleen Trobisch zeigt Zähne und steht zu ihrer Information an die Hausbewohner und ihren Maßnahmen nach der Asylanten-Zahnnotbehandlung im Haus Gorkistraße 15 in Erfurt und kündigt rechtliche Schritte gegen jeden an, der sie oder ihr Team als rassistisch verunglimpft. (Ausriss website Zahnarztpraxis-Trobisch.de)

„Liebe Patienten!

Ich distanziere mich energisch gegenüber jeglicher rassistischer Darstellungen im Internet über mich und mein Praxisteam!

Ich habe bereits mit meinem Rechtsanwalt rechtliche Schritte gegen diese Hetzkampagne gegen meine Praxis und mein Praxisteam eingeleitet.

Ich finde es unverantwortlich, wie leichtfertig über soziale Netzwerke Personen und Institutionen angegriffen werden können.

Ich hoffe, dass die Verbreitung dieser Hetze unterbunden wird.

Ihr Praxisteam“

Das Praxisteam um Ärztin Kathleen Trobisch ist sozial sehr engagiert. Das Team unterstützt nach eigenen Angaben die DKMS – die Deutsche Knochenmarkspendendatei von Dr. Dr. Alexander Schmidt in Tübingen (Baden-Württemberg) gegen Blutkrebs – und die Blindenwerkstätten in Gotha (Thüringen), in denen Blinde Besen, Handfeger, Schrubber, Wischer und Haushaltsbürsten herstellen.

Und natürlich kommt das Team der vom Gesetzgeber auferlegten Verpflichtung nach, „Asylsuchende im Notdienst zu behandeln.“

Anders dagegen ihr Arztkollegen Dr. Thomas Schädlich aus dem sächsischen Ellefeld.

Internist Dr. Schädlich ist Mitglied des vogtländischen Kreistages für die Alternative für Deutschland (AfD) und lehnte am vergangenen Donnerstag (19. November 2015) bei einer Gemeinderatssitzung die Behandlung von Flüchtlingen mit den Worten ab: „Wenn ich Ausländer behandeln wollte, wäre ich zu Ärzte ohne Grenzen gegangen.“ Gegen den Mediziner liegt inzwischen eine Beschwerde bei der Sächsischen Landesärztekammer vor.

Die Beschwerde hat Rodny Scherzer eingereicht, der mit seiner Projektverwaltungsgesellschaft das ehemalige Hotel „Ellefelder Hof“ in Ellefeld gekauft und mit dem Vogtlandkreis einen Vertrag zur Nutzung als Flüchtlingsunterkunft geschlossen hat. Bei der Gemeinderatssitzung in Ellefeld, an der auch Dr. Schädlich teilnahm, stellte Scherzer das Nutzungskonzept für den „Ellefelder Hof“ vor. Der hatte seit Jahren leer gestanden. Dr. Schädlich hatte unter anderem gesagt, dass er die medizinische Behandlung von Ausländern und Flüchtlingen in seiner Praxis ablehne. Dabei fiel der genannte Satz.

Die bloße Ankündigung sei moralisch verwerflich, aber juristisch zunächst nicht relevant, äußert sich die Landesärztekammer zu der vorliegenden Beschwerde gegenüber der Freien Presse. Es müsse „tatsächlich zu einem nachweislichen Verstoß gekommen sein“, bevor die Landesärztekammer Rügen erteilt oder Ordnungsgeld androht. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsrecht dürfe ein Arzt einem Patienten nicht wegen dessen Hautfarbe, Religion oder Staatsangehörigkeit eine Behandlung verweigern.

Verstößt er dagegen, kann er straf- beziehungsweise zivilrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Wörtlich heißt es: „Wenn sich der Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt, könnte es sogar zum Approbationsentzug durch die Landesdirektion Sachsen kommen.“

Ein Bereitschaftsarzt in Sachsen-Anhalt lehnte Fahrt ins Asylheim ab.

In Sachsen-Anhalt hat es vor kurzem ein Bereitschaftsarzt oder eine -ärztin in der Region Jessen abgelehnt, zu einem kranken Flüchtling in die Asylunterkunft Mehrzweckhalle in Holzdorf zu kommen, berichtete vor drei Tagen die Mitteldeutsche Zeitung. Trotz Bereitschaft, trotz Fahrdienst, also eines von der kassenärztlichen Vereinigung zur Verfügung gestellten Fahrzeuges mit medizinisch ausgebildetem Fahrer. Der Asylant musste mit einem Taxi gebracht werden und war so krank, dass er von dort in das Wittenberger Paul Gerhardt Stift überwiesen wurde.“

Wittenbergs Landkreis-Pressesprecher Ronald Gauert bestätigte das Vorkommnis vom Grundsatz her: „Zu den Gründen möchte ich nichts sagen. Wir sind bemüht, eine Lösung zu finden.“

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14 KOMMENTARE

  1. Wie kann es sein dass menschen die vor nicht all zu langer zeit nach hilfe geschrieen haben heute jegliche hilfe verweigern!? es müsste eine sofortige beendigung des Solidarpakt geben und der osten deutschlands keine finanzielle unterstützung mehr vom westen erhalten.

  2. Hassan Ben Mansour der geht schon lange nicht mehr in den Osten. Damit werden andere Löcher gestopft. Ist nur um den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Oder meinst du die Umweltsteuer auf dein Benzin geht in die Umwelt.

  3. Ich gehe davon aus, dass die Warnungen des Robert-Koch-Instituts und des Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz wirklich getätigt wurden. Dieser Fakt muss in die Bewertung der Sachlage einfließen! Außerdem gehe ich davon aus, dass ein Arzt auch verpflichtet ist, vor eventuellen Gesundheitsschäden zu warnen.

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