Atomkraftwerke und Gaskraftwerke bekommen grünes Etikett

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Die Gesetzgeber der Europäischen Union haben dafür gestimmt, dass Erdgas und Atomkraftwerke als grüne Investitionen eingestuft werden können. Damit wurde das letzte große Hindernis für potenzielle Milliarden Euro an Finanzmitteln von Umweltinvestoren beseitigt.

Atomkraftwerke und Gaskraftwerke werden als umweltfreundlich von EU-Gesetzgeber eingestuft - Kernkraftwerk in Gösgen Däniken
Atomkraftwerke und Gaskraftwerke werden als umweltfreundlich von EU-Gesetzgeber eingestuft – Kernkraftwerk in Gösgen Däniken

Parlament segnet Vorschlag ab – letzte Hürde noch nicht genommen

Das Parlament verfehlte die 353 Stimmen, die nötig waren, um die Aufnahme der Gas- und Nukleartechnologie in die so genannte Taxonomie der EU abzulehnen. Die Taxonomie umfasst eine Liste von Wirtschaftstätigkeiten, die im Einklang mit dem Übergang zur Klimaneutralität der EU stehen. Sofern die Mitgliedstaaten nicht widersprechen, wird die Verordnung nun Anfang nächsten Jahres in Kraft treten. Deutschland hat sich dazu bereits geäußert und stimmt dagegen.

Die Abstimmung bedeutet, dass neue Gaskraftwerke in der Lage sein werden, einen neuen Geldpool von Investoren aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung anzuzapfen, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit und nur wenn diese Anlagen Kohlekraftwerke ersetzen. Dies wird auch dem angeschlagenen europäischen Nuklearsektor Auftrieb geben, den Länder wie Frankreich als kohlenstoffarme Energiequelle angepriesen haben. Neue Atomkraftwerke wäre ein entscheidender Schritt für Ablösung russischer, fossiler Brennstoffe. Gaskraftwerke würden diese Abhängigkeit wiederum erhöhen.

Das Ergebnis ist eine Erleichterung für die Klimaneutralität, die den Vorschlag Ende letzten Jahres erstmals ins Spiel gebracht hatte. Die Energiewende hat erhebliche Probleme mit der Energieversorgung und Grundsicherung für Industrie und Haushalte. Das Problem sind die Energiespeicher, wenn kein grüner Strom produziert wird. Die Gesetzgebung war zunehmend unpopulär geworden, nachdem Russlands Einmarsch in der Ukraine die Rolle von Gas als Übergangsenergie angesichts steigender Preise und drohender Lieferengpässe in Frage gestellt hatte. Ein durchgesickertes Dokument hatte das Vorhaben bereits Anfang November 2021 bekannt gemacht.

Ist ein Grünes Label für Atomkraftwerke und Gaskraftwerke sinnvoll?

Die Mehrheit der konservativen Europäischen Volkspartei hatte für die Einbeziehung von Gas und Kernkraft gestimmt, nachdem der ukrainische Energieminister German Galushchenko in letzter Minute dafür plädiert hatte. In einem Brief an die Gesetzgeber erklärte er, dass der Ausschluss dieser Energiequellen aus der Taxonomie eine „besondere Herausforderung“ für den Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg darstellen könnte. Das Land würde von dem neuen Investitionspool profitieren.

Die Vorschläge der europäischen Kommission:

  • Gasprojekte, die Kohle ersetzen und nicht mehr als 270 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde ausstoßen, können ein vorübergehendes grünes Label erhalten, oder wenn die jährlichen Emissionen einen Durchschnitt von 550 Kilogramm pro Kilowattstunde über 20 Jahre nicht überschreiten.
  • Solche Anlagen müssten bis 2030 eine Baugenehmigung erhalten und bis Ende 2035 auf erneuerbare oder kohlenstoffarme Gase umgestellt sein.
  • Die Kernenergie ist förderfähig, wenn neue Anlagen, die bis 2045 eine Baugenehmigung erhalten, die Umwelt und die Wasserressourcen nicht erheblich schädigen.
  • Investmentfonds müssen den Anlegern im Rahmen der Taxonomie mehr Informationen über ihre Beteiligungen an Atom- und Gaskraftwerken geben.
Gaskraftwerk in Griechenland
Gaskraftwerk in Griechenland

Investmentbranche, Wissenschaftler und Umweltschützer sehen die Änderung kritisch

Wissenschaftler, Umweltschützer und sogar ein großer Teil der Investmentbranche hatten kritisiert, dass Gas und Atomkraft ein grünes Etikett erhalten, weil sie befürchteten, dass dadurch Investitionen von erneuerbaren Energien abgezogen werden könnten und das, was die EU als „Goldstandard“ für grüne Finanzen angepriesen hatte, in Verruf geraten könnte. Normalerweise erhalten nur nachhaltige Energiequellen wie Solar- und Windenergie das grüne Etikett.

Greenpeace bezeichnet das Vorhaben als Greenwashing und bereitet Klagen vor um dagegen vorzugehen. Das Vorhaben soll gegen das bestehende Taxonomie Gesetzt verstößen. Ebenfalls haben Österreich und Luxemburg signalisiert, dass sie die Aufnahme der beiden Energiequellen in die Taxonomie rechtlich anfechten werden – ein Prozess, der allerdings Jahre dauern könnte.

„Es ist völlig klar, dass sowohl Atomenergie als auch fossiles Gas nichts mit Nachhaltigkeit zu tun haben“, sagte Leonore Gewessler, Österreichs Energieministerin, am Mittwoch. „Wir werden das natürlich herausfordern. Wir haben bereits Vorbereitungen getroffen, und Luxemburg hat angekündigt, dass es sich uns anschließen wird.“

Um die Regeln abzulehnen, müssen sich 20 der 27 EU-Länder dagegen aussprechen – eine hohe Schwelle, die wahrscheinlich nicht erreicht werden wird. Die Abstimmung findet in den nächsten Wochen statt.

(TB)

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