Ukraine: Illegaler Bernsteinabbau hinterlässt Mondlandschaften

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Wie Ameisen fallen Plünderer mit Autos und Pumpen in die nordwestlichen Wälder der Ukraine ein, holzen ab, bohren Löcher, treiben Schläuche 20 Meter tief in die Erde und pumpen Berstein hoch. Zwei Hände voll bringen auf dem Schwarzmarkt 900 Euro. Die Plünderer hinterlassen Mondkrater. Polizisten schauen weg - für 540 Euro pro Pumpe und sechs Leuten (Foto: Bürgerinitiative AutoMaidan)
Wie Ameisen fallen Plünderer mit Autos und Pumpen in die nordwestlichen Wälder der Ukraine ein, treiben Schläuche 20 Meter tief in die Erde und pumpen mit Wasser Bernstein hoch. Zwei Hände voll bringen auf dem Schwarzmarkt 900 Euro. Die Plünderer hinterlassen Mondkrater. Polizisten sollen laut Berichten Einheimischer wegschauen – für 540 Euro pro Pumpe und sechs Leuten (Foto: Bürgerinitiative AutoMaidan)

Wie Ameisen fallen Plünderer mit Pumpen in die Wälder der Ukraine ein, treiben Schläuche 20 m tief und spülen Bernstein heraus. Behörden greifen nicht ein.

In den Waldgebieten Wolhyniens im Nordwesten der Ukraine (Gebiete Wolhynien, Riwne und Schytomyr) hinterlässt der illegale Bernsteinabbau wahre Mondlandschaften. 90 Prozent des Bernsteins in der Ukraine werden illegal angeblich sogar unter dem Schutz der Rechtsschutzorgane gefördert. Zwei Hände voll Roh-Bernstein bringen auf dem Schwarzmarkt 900 Euro. Pro Pumpe, mit der Bernstein aus 20 Metern Tiefe an die Oberfläche gespült wird, und sechs Mann sollen die Behörden laut der proeuropäischen Kiewer Bürgerinitiative AutoMaidan 540 Euro für das Wegschauen kassieren.

Dieser kleine Haufen Bernstein hat einen Schwarzmarktwert von 900 Euro. Der illegal abgebaute Bernstein wird nach Polen geschmuggelt und von dort an Bernsteinschleifereien in die Ukraine verkauft (Screenshot: Deutsche Welle)
Dieser kleine Haufen Bernstein hat einen Schwarzmarktwert von 900 Euro. Der illegal abgebaute Bernstein wird von Chinesen eingkauft oder nach Polen geschmuggelt. Bernsteinschleifereien in die Ukraine kaufen diesen Bernstein wiederum aus Polen ein und verkaufen ihre Produkte auf dem Weltmarkt (Screenshot: Deutsche Welle)

Im Dorf Klessiw (4.500 Einwohner) im Oblast Riwne entstehen dank der Bernstein-Räuberei neue Einfamilienhäuser, wurde ein großer Kinderspielplatz angelegt. Am liebsten wolle man noch die Ortsstraße erneuern, sagen Männer, die in den Wäldern illegal Bernstein abbauen, gegenüber der Deutschen Welle. Das ist strafbar. Schon der Besitz illegal geförderten Bernsteins ist verboten. In der Ukraine ist es ein Millionen geschäft. Vor allem Chinesen kaufen den Rohbernstein in der Ukraine ein, sagen die Männer aus Klessiw. Sie fühlen sich im Recht, weil sie mit dem Geld ihr Dorf aufbauen.

Außerdem dulde es die Zentraleregierung in Kiew und kassiere kräftig mit, behauptete auch Bernsteinsucher Wassil aus dem Dorf gegenüber Waldschutz-Aktivist Dmytro Leontijuk von der AutoMaidan, der die Männer zur Rede stellte. Der Dorfbewohner: „Für die da oben ist es auch ein lukratives Geschäft, wenn Bernstein illegal abgebaut wird. Ohne, dass sie etwas investieren müssten, landet auch bei den Bürokraten Geld.“ Schmiergeld. Der Vorwurf: Damit die Einheimischen illegal, aber ungestört Bernstein abbauen könnten, kassierten Polizisten und andere Sicherheitskräfte Bares.

Genau das kritisiert Bürgeraktivist Dmytro Leontijuk und will es ändern. Denn in dem Bernsteinland Ukraine werden Tausende Hektar Land durch den illegalen Abbau zerstört.

Leontijuk: „Die Rede ist von Tausenden oder Hunderttausenden Menschen, die da völlig chaotisch ohne System in die Wälder gehen, um Bernstein abzubauen. Und tatsächlich, in einem Protestvideo haben die Aktivisten von AutoMaidan schockierende Luftaufnahmen gefilmt.

Bewaffnet mit Käschern fallen Bernstein-Plünderer zu Tausenden in die nordwestlichen Wälder der Ukraine ein (Foto: AutoMaidan)
Die einfachste Methode: Bewaffnet mit Käschern fallen Bernstein-Plünderer zu Tausenden in die nordwestlichen Wälder der Ukraine ein (Foto: AutoMaidan)

Die zweite und ergiebigere Methode: Auf abgeholzten Waldflächen stellen die illegalen Bernsteinsucher Pumpen auf. 20 Meter in die Tiefe reichen die Schläuche. Wasser treibt den Bernstein dann nach oben. Fracking für den Goldersatz.

Übrig bleiben Kraterflächen.

Nach dem illegalen Bernsteinabbau bleiben Kraterflächen übrig wie diese, die niemand rekultiviert (Screenshot: Deutsche Welle)
Nach dem illegalen Bernsteinabbau bleiben Kraterflächen übrig wie diese, die niemand rekultiviert (Foto: AutoMaidan)

Überall findet man künstliche Wasserlöcher, um die noch nichts gewachsen ist. Leontijuk: „Das ist das wirklich Furchtbare. Die Bernsteingräber machen jetzt nichts mehr. Sie sollten wenigstens wieder aufforsten. Doch es gibt keine Rekultivierung.“ Die Regierung im fernen Kiew lässt den Raubbau im Nordwesten des Landes einfach laufen. Nur manchmal schlagen die Behörden zu. Zum Beispiel in einer Bernsteinschleiferei in der Gebietshauptstadt Riwne. „Wir sollen die Maschinen konfiszieren“, sagte ein Polizist zu Dmytro Leontijuk, der einen Tipp über die Razzia bekommen hatte. Der Polizist weiter: „Dann wird es wieder ein Gerichtsverfahren geben, und die Maschinen werden zurückgebracht. So ist es ja immer.“ Denn die Gerichte stehen im Verdacht, so berichtet die Deutsche Welle, bestechlich zu sein. Der Fabrikbetreiber will aber damit nichts zu tun haben. Im Gegenteil, bei ihm gehe alles legal zu. Alle Papiere seien korrekt. Der Grund für die Razzia sei ein ganz anderer: Die Behörden würden ihn schon länger gängeln, weil er ihnen kein Schmiergeld gezahlt hat.

Oleh Krawtschuk, Betreiber der Bersteinschleiferei, sagte der Deutschen Welle: „Es ist unmöglich, sich an die Gesetze zu halten. Man will uns hier alle in die Schattenwirtschaft zwingen.“ Doch auch der Unternehmer, eben noch reine Weste, gibt zu, dass er an anderer Stelle Gesetze umgeht. Weil er den Bernstein in der Ukraine legal nicht kaufen darf, weicht er auf andere europäische Länder aus. Krawtschuk: „Ich habe den Bernstein in Polen gekauft, um mit der Arbeit überhaupt anfangen zu können.“ Ukrainischen Bernstein wohlgemerkt, der wohl zuvor von der Ukraine nach Polen geschmuggelt worden war. Aktivist Leontijuk glaubt, sogar unter den Augen der Behörden.

Der Deutsche-Welle-Autor Frank Hofmann konstatiert: „Das alles nur für diesen Glanz“ von Bernsteinschmuck. „Doch der bringt Milliardenumsätze auf dem Weltmarkt. In Europa und China. Deshalb hat Leontijuk Verständnis, dass die Menschen in dieser sonst bettelarmen Region etwas vom Kuchen abhaben möchten, wo millionenschwerer Bernstein nur ein paar Meter unter ihren Füßen verborgen ist.“

Leontijew: „Man könnte den Abbau legalisieren und so steuern, dass alle etwas davon hätten. Für eine Genossenschaft mit zehn bis fünfzehn Einheimischen würde die Arbeit für zwei oder drei Jahre reichen. Und nachdem sie alles herausgeholt haben, müssten sie die Löcher wieder zuschütten, Bäume anpflanzen und das Grundstück renaturieren.“ Das wäre Dmytro Leontijews Traum. Dass der größte Ertrag aus dem Gold der ukrainischen Wälder vor Ort bliebe. Und die vielen Schmiergeldempfänger endlich das Nachsehen hätten.

Wie Berlin Journal berichtete, will die Ukraine in zehn Jahren in die EU.

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