Tegel-Süd: Kunst-Streit um blutiges Mädchen an Häuserfassade

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Ein blutiges Mädchen, das auf einen nackten, mit Pfeilen durchbohrten Mann im Wald schaut. Das Wandgemälde, das seit ein paar Tagen den Giebel der Neheimer Straße 8 in Tegel-Süd ziert, lässt die Emotionen der Anwohner hochkochen (Screenshot: rbb AKTUELL)
Ein blutiges Mädchen, das auf einen nackten, mit Pfeilen durchbohrten Mann im Wald schaut. Das Wandgemälde, das seit ein paar Tagen den Giebel der Neheimer Straße 8 in Tegel-Süd ziert, lässt die Emotionen der Anwohner hochkochen (Screenshot: rbb AKTUELL)

Mit hunderten Unterschriften wehren sich Anwohner in Berlin-Tegel gegen ein 42 Meter hohes Fassadenbild des spanischen Street-Art-Künstlers Gonzalo Borondo zum Thema Flüchtlingskrise an einem Giebel in der Neheimer Straße 8. Das Bild zeigt ein kleines Mädchen, das in seinem eigenen Blut steht. Es schaut einen aufrecht stehenden Mann an, der von Pfeilen durchbohrt ist.

Den Auftrag dazu gab die Vermieterin, die landeseigene Gewobag Wohnbauaktiengesellschaft Berlin aus Alt-Moabit 101A in Moabit, die 70.000 Mieter betreut. Sie ließ dem renommierten Künstler, der bereits Giebel in Athen, London, Las Vegas, Madrid und Paris bemalt hat, freie Hand.

Eine Elternvertreterin der nahegelegenen Kita schilderte dem Tagesspiegel: „Mama, warum blutet das Mädchen?“, habe ein Kind gefragt. Und die Mutter habe geantwortet: „Das ist Erdbeermarmelade.“ Die Elternvertreterin ist Mutter eines fünfjährigen Sohnes. Sie findet: „Es ist sehr, sehr erschreckend. Am schlimmsten ist der aufgespießte Mensch. Es gibt so viel Leid auf der Welt, das muss man uns nicht auch noch so groß präsentieren.“ Den anderen Eltern geht es ähnlich. Eine Mutter sagt, das Bild sehe aus „wie in einem Horrorfilm“. Am liebsten wäre vielen, ihre Kinder würden das Bild gar nicht sehen.

Bei der Gewobag stößt die Aufregung auf Unverständnis. Ein Sprecher sagte, der Künstler habe sich offensichtlich des Flüchtlingsthemas angenommen. In dem Fassadenbild sei aber auch Hoffnung zu erkennen: „Denn das Kind sieht einen Menschen, der – obwohl von Pfeilen getroffen – aufrecht und stark ist.“

Die Kiez-Initiative  „I love Tegel“ sieht das anders. Ihr Sprecher, der Jurastudent Felix Schönebeck, weist darauf hin, dass sich im benachbarten Hochhaus in der Vergangenheit mehrere Menschen zu Tode stürzten. Und in der Nähe ist eine Flüchtlingsunterkunft geplant. „Da wohnen dann Menschen, die aus dem Krieg geflohen sind und Schreckliches erlebt haben. Ich finde das Bild auch deshalb unpassend“, sagte der 26-jährige.

Er traf sich mit betroffenen Anwohnern, Eltern und den Elternvertreterinnen vor Ort und wird sich nun nach Rücksprache mit allen Betroffenen gegenüber der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag für eine Lösung stark machen. „Diese Situation hätte man durch eine vorherige Befragung der Anwohner zu den Motiven vermeiden können. Jetzt ist die Gewobag am Zug und sollte gemeinsam mit den Mietern, Kindern und Eltern eine Alternative finden“, fordert Schönebeck. Im Rahmen eines Kunstprojekts namens Artpark Tegel wurden insgesamt bereits fünf Hochhauswände in Tegel-Süd neu gestaltet, von denen bisher alle mehrheitlich gut angenommen wurden. Nur eben die blutige Hochhauswand nicht.

Da weder die Gewobag noch das Künstlernetzwerk „Urban Nation“, zu der Gonazalo Borondo gehört, ein Signal des Entgegenkommens gesendet hat und den Dialog weiterhin strikt verweigert, hat „I love Tegel“ gemeinsam mit dem CDU-Wahlkreisabgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses Stephan Schmidt (Büro Oraniendamm 10) eine Unterschriftenaktion gestartet. Dafür wurden von dem Politiker 2.000 Unterschriftenlisten angefertigt und in Tegel-Süd verteilt.

Dürfen Hausbesitzer eigentlich ihre Fassaden gestalten, wie sie wollen? „Bauliche Anlagen müssen (…) so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken“, steht in der Bauordnung (§9). Zu beachten ist allerdings auch das Recht auf Kunstfreiheit.

Es liegt in der Natur der Kunst, dass sie Diskussionen anstoßen soll“, sagt Volker Hartig, der Sprecher der Gewobag, dazu. „Sie soll auch ermutigen, sich mit neuen, umstrittenen Themen auseinanderzusetzen.“

Reden will die Gewobag mit den Mietern erst, wenn das Gesamtprojekt fertig gestellt ist. Der so genannte „Artpark Tegel“ umfasst insgesamt sieben Fassadenbilder im Wohngebiet, fünf sind bereits vollendet. Zuletzt hatten die Niederländer Collin van der Slujis und Super A die Rückwand der Neheimer Straße 6 mit einem überdimensionalen Star verziert. Das Vogelbild hatte seitens der Nachbarschaft viel Lob geerntet. „Es ist aber erwartbar, dass nicht immer alle Werke allen Betrachtern gleich gut gefallen“, so Volker Hartig.

rbb-Reporter Rainer Unruh meint: „Berlin jedenfalls ist voll von Wandmalereien und legalen Graffitis. Wie etwa das mit Fußballer Jerome Boateng an der Badstraße im Wedding. In jedem Stadtteil gibt es ein buntes Sammelsurium. Und die meisten finden das gut.“ Und so geht der Kunststreit um das brutale Wandbild in Tegel weiter.

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4 KOMMENTARE

  1. Also ich finde das dass Bild schön aussieht und ganz ehrlich hört mal auf eure Kinder immer als Vorwand zu nehmen um eure Befindlichkeiten nachdruck zu Verleihen. Dieses Bild wird euren Kindern keinen Schaden zufügen…

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