SEK vereitelte vermeintliche Mordpläne des Emirs von Gröpelingen

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Der Emir von Gröplingen, der deutsch-malaysische Bremer Rene Marc Sepac (35) duldet keine Abweichung von der Scharia
Der Emir von Gröpelingen, der deutsch-malaysische Bremer Renee Marc Sepac (35), duldet keine Abweichung von der Scharia.

Mit einem Großaufgebot an Spezialeinsatzkräften vereitelte die Polizei gestern mutmaßliche Mordpläne des erst Ende Februar 2016 aus der Justizvollzugsanstalt Bremen Oslebshausen entlassenen Bremer Salafisten Renee Marc Sepac (35), des sogenannten Emirs von Gröpelingen, einem Stadtteil von Bremen. Er gilt laut SPIEGEL als einer der gefährlichsten Salafisten des Landes.

Dreieinhalb Jahre hatte der 35-Jährige verbüßt, weil er Drohungen Osama Bin Ladens im Internet verbreitet hatte und sich al-Qaida anschließen wollte.

Mit seiner Entlassung hatte sich sogar das „Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum“ von Bund und Ländern befasst, weil Sepac als Gefährder gilt. Als Gefährder stuft die Kriminalpolizei laut einer Definition aus dem Jahr 2004 eine Person ein, „bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung (StPO), begehen wird.”

Bundesweit sollen die Länder im Frühjahr diesen Jahres 447 Personen als islamistische Gefährder eingestuft haben. Im Januar 2011 waren es noch 131 Menschen.

In Bremen sollen es aktuell 14 Personen sein. Das wäre mit zwei pro 100.000 Einwohner die höchste Gefährder-Dichte Deutschlands, gefolgt von 65 in Berlin (1,9 pro 100.000) und 18 in Hamburg (einer pro 100.000).

Das gesamte deutsche „islamistisch-terroristische“ Personenpotenzial soll etwa 1.100 Personen umfassen, schrieb letzten Monat die taz.

Verabredung zur Tötung zweier Menschen?

Laut Bremer Staatsanwaltschaft, die jetzt gegen Sepac und acht weiterte Salafisten unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt, sollen sich Sepac und andere dazu verabredet haben, zwei Menschen zu töten.

Entsprechende Hinweise hatte die Polizei am vergangenen Samstag durch einen anonymen Anrufer und per E-Mail erhalten. Erste Ermittlungen und eine Zeugenaussage hatten den Verdacht demnach erhärtet.

Zusammen mit Spezialkräften aus den Bundesländern Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig Holstein wurden in den gestrigen Morgenstunden neun Wohnungen und Geschäfte im Stadtgebiet durchsucht. Der Schwerpunkt der Aktion lag dabei in den Stadtteilen Gröpelingen, Lesum, Walle und Woltmershausen.

Die Beamten stellten Messer, Elektroschocker, Schreckschusswaffen, ein Beil, Mobiltelefone und Laptops sicher.

Hintergrund ist eine akute Bedrohung von Bremer Salafisten untereinander“, teilte Polizeisprecher Nils Matthiesen mit. Seit Wochen soll es in der Bremer Salafistenszene zu Auseinandersetzungen und Machtkämpfen kommen. Dabei ging es um die Auslegung des Islams. Zwei Personen wurden bereits in der Vergangenheit verletzt.

Ex-Moschee-Vorstand Siyavash K. wurde tätlich angegriffen und verletzt

Wie SPIEGEL ONLINE aus Sicherheitskreisen erfuhr, geriet Sepac mit mindestens einem ehemaligen Mitstreiter über die ideologische Auslegung des Koran aneinander. Eines der Opfer der Angriffe, Siyavash K., gehörte bis zur Zwangs-Schließung durch Bremens Innensenator Ulrich Mäurer im Jahr 2014 zum Vorstand des salafistischen Moscheenvereins Masjidu-l-Furqan – Kultur- und Familienverein e.V. (KuF).

Am vergangenen Donnerstag (21. April 2016) soll die Gruppe um Sepac eines der Opfer aus seiner Wohnung in Gröpelingen gelockt und angegriffen haben. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE soll Sepac selbst das Opfer mit dem Messer am Bein verletzt haben. Am Freitag kam es zu einer zweiten Auseinandersetzung in der Nähe des Einkaufszentrums Lindenhof-Center in Gröpelingen. Das Opfer wurde am Kopf verletzt.

Auf die Entlassung von Sepac aus der Justizvollzugsanstalt Bremen Oslebshausen hatten sich die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern lange vorbereitet.

Eine ganze Liste mit Führungsauflagen hatte die Bundesanwaltschaft für Sepac beantragt. Nur über einen Teil hat das Münchner Gericht nun entschieden: Nach Angaben seines Anwalts Helmut Pollähne muss Renee Marc Sepac sich einmal in der Woche bei der Polizei und einem Bewährungshelfer melden. Ohne Genehmigung darf er Bremen maximal drei Tage lang verlassen.

Die Forderungen gingen viel weiter: Täglich sollte er aufs Revier und nur eingeschränkt kommunizieren dürfen: Zu 31 Personen sollte er gar keinen Kontakt aufnehmen, ein Handy nur benutzen, wenn er das Gerät vorher anmeldet. Die Entscheidung über diese Auflagen hatte das Oberlandesgericht München vertagt.

Schon vorher zurückgezogen hatte die Bundesanwaltschaft den Antrag, Sepac eine elektronische Fußfessel anzulegen. Das wäre nur möglich, wenn er Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen wäre. Sepac aber hatte al-Qaida nur unterstützt.

Der Emir von Gröpelingen Sepac hatte 2008 aus einer ehemaligen Kita in der Seewenjestraße 77 in Bremen-Gröpelingen einen mutmaßlichen Hort zur Rekrutierung von IS-Terroristen gemacht

Aus dieser Kita in der Seewenjestraße 77 im Bremer Stadtteil Gröpelingen soll der Salafist Renee Marc Sepac (35) von 2008 bis zum Verbot 2014 ein Hort zur Rekrutierung von IS-Torroristen gemacht haben (Foto: Verfassungsschutz Bremen)
Aus dieser Kita in der Seewenjestraße 77 im Bremer Stadtteil Gröpelingen soll der Salafist Renee Marc Sepac (35) von 2008 bis zum Verbot 2014 einen Hort zur Rekrutierung von IS-Torroristen gemacht haben (Foto: Verfassungsschutz Bremen)

Der Bremer Verfassungsschutz-Chef Joachim von Wachter vermutete 2014 in der taz, dass seit der Gründung aus dem Umfeld des Vereins acht Männer, fünf Frauen und sieben Kinder nach Syrien gezogen waren, um dort für die sunnitische Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu kämpfen. Im März 2014 protestierten Eltern von Ausgereisten gegen den KuF. Sie machten den Verein für die Radikalisierung ihrer Söhne und für die Motivation zum terroristischen Kampf verantwortlich.

Zu den Besuchern des KuFs zählte auch der mutmaßliche Attentäter Lors Doukaev, der im September 2010 eine Explosion in einem Hotel in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen auslöste, teilte der Verfassungsschutz mit.

Darüber hinaus fand ein regelmäßiger Austausch mit dem bundes- beziehungsweise europaweiten „Takfir“-Netzwerk statt.

Selbst unter Salafisten gelten der Moscheengründer Sepac und seine Mitstreiter als Ultras.

Sie predigten die sogenannte Takfir-Ideologie, wonach selbst Muslime zu „Ungläubigen“ erklärt werden können, wenn sie nicht der richtigen Glaubenslehre folgen. Und Ungläubige, so heißt es im Jahresbericht des Bremer Verfassungsschutzes, „sind nach ihrer Auffassung zu bekämpfen, und der Abfall vom Glauben ist, zumindest theoretisch, mit dem Tode zu bestrafen“.

Die Bundesanwaltschaft erhob zudem Anklage gegen zwei Gründungsmitglieder des KuF wegen Mitgliedschaft in dem al-Qaida nahe stehenden Propagandanetzwerk „Globale Islamische Medienfront“ (GIMF). Im Juli 2011 kam es zur ersten Verurteilung einer der beiden Angeklagten wegen Werbung um Mitglieder einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Am 6. Dezember 2011 verurteilte das Münchner Oberlandesgericht den Emir von Gröpelingen Renee Marc Sepac  zu 3 Jahren und 6 Monaten Haft, unter anderem weil Sepac Ansprachen von Osama Bin Laden sowie äußerst brutale und blutige Hinrichtungen von Ungläubigen auf dem Internetportal der GIMF veröffentlicht haben soll. Auch habe er dort Werbefilme für Terror-Ausbildung veröffentlicht.

Sepacs Moscheenverein wurde 2014 vom Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) verboten, und die Räume des KuFs wurden von der Bremer Polizei durchsucht.

Islamische Verbände gingen auf Distanz zum Kultur- und Familienverein. Die Bremer Schura, der Zusammenschluss von 25 Moscheenvereinen, wandte sich gegen Extremismus.

„Wir werden das Thema Salafismus und jegliche Form von Extremismus in unseren Gemeinden ansprechen“, sagte Ismail Basar, Vorsitzender der Bremer Schura, dem SPIEGEL. Außerdem habe der Verband beschlossen, mehr Jugendarbeit zu machen.

Auch der Nachfolgeverein des KuF, der „Islamische Förderverein“ wurde verboten.

Im Sommer 2015, ein gutes halbes Jahr nach dem Verbot des KuF, kam es zu einem Neustart mit einem neuen Vorstand und neuen Mitgliedern unter dem Namen Islamischer Förderverein in der Sankt-Magnusstraße im Bremer Stadtteil Walle.

Besucher waren KuF-Anhänger

Für die Behörden hat der verbotene KuF also einen Verein übernommen, um weiter aktiv zu sein. „Wie bereits im ursprünglichen Verein betrieben sie hierzu eine vereinsinterne Moschee, boten religiösen Unterricht sowohl für Erwachsene als auch für Kinder an und nutzten die Vereinsräumlichkeiten im Bremer Stadtteil Walle für Treffen“, heißt es dazu in einer Mitteilung des Bremer Innensenators. Der verbot daher auch diesen Verein.

Am 16. Februar 2016, als kurz vor der Entlassung des Emirs von Gröpelingen aus dem Gefängnis, gab es in Bremen eine großangelegte Razzia. Mehr als 200 Polizisten waren im Einsatz.

Die Polizei hatte in der Stadt mehr als zehn Privatwohnungen durchsucht, außerdem die Moschee des nun verbotenen Islamischen Fördervereins in einem Hinterhof in Walle. Dabei wurden Computer, Festplatten und Telefone beschlagnahmt. Nach Waffen suchten die Spezialkräfte nicht, wie Innensenator Mäurer berichtete. Vielmehr sei es den Ermittlern darum gegangen, Quellen und Netzwerke der Salafisten aufzudecken.

Gestern folgte nun die Razzia, um gewaltbereite Salafisten gegen angeblich abtrünnige Glaubensbrüder in Deutschland zu stoppen.

Laut Radio Bremen gilt Bremen als eine Hochburg des Salafismus, einer besonders konservativen islamischen Strömung. Bundesweit zählt der Verfassungsschutz etwa 7.000 Anhänger, 360 davon in Bremen.

Hintergrund: Bremens Industrie, unter anderem die Werften, warben in den 1960er und 1970er Jahren Türken, Griechen und Jugoslawen als Arbeitskräfte an. Vor allem in den an die Häfen grenzenden Stadtteile Bremen-Walle und Bremen-Gröpelingen leben viele Migranten. In Gröpelingen etablierte sich eine migrantische Community, die vornehmlich von türkisch- und kurdisch stämmigen Menschen dominiert wird.

 

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