Andreas Nahles bastelt an Betriebsrente auch für Niedrigverdiener

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Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (46, SPD) bastelt an einer Betriebsrente auch für Niedrigverdiener (Foto: Berlin, Bundespressekonferez, 01.06.2016, Fotograf: HC Plambeck)
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (46, SPD) bastelt an einer Betriebsrente auch für Niedrigverdiener (Foto:
Berlin, Bundespressekonferez, 01.06.2016,
Fotograf: HC Plambeck)

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (46, SPD) bastelt an einer Rentenreform für Geringverdiener, bei der alle, die ein Leben lang gearbeit haben oder noch arbeiten, aber nicht Genug Geld hatten oder haben, um vom Netto zusätzlich zu sparen, im Alter doch eine zusätzliche Betriebsrente erhalten können – ohne, dass die Niedrigverdiener auch nur einen Cent weniger Netto im Portemonnaie haben.

Die Eckpunkte will die Bundesministerin erst im Herbst lüften.

Bislang ging so etwas nur auf zwei Wegen: Erstens über eine staatliche Zulage wie bei der Riesterrente. Und zweitens über eine Bruttoentgeldumwandlung.

SPD-Chef Siegmar Gabriel (56) fordert: Das Niveau der gesetzlichen Rente dürfe nicht weiter sinken. Es ist bereits von 70 auf 48 Prozent des Netto-Arbeitseinkommens gesunken und beträgt, so die bisherigen Beschlüsse, ab 2030 nur noch 44 Prozent. Fatal für alle Niedriglohnempfänger.

Die alleinerziehende 38jährige Verwaltungsangestellte  Daniela Breng aus Halle in Sachsen-Anhalt beispielsweise, die mit 1.220,77 Euro netto im Monat nach Hause geht, erhält, wenn sie die nächsten 30 Jahre so einzahlt wie bisher, eine monatliche Rente von 425,30 Euro. Sie müsste also dringend privat vorsorgen, sagte sie dem ZDF-Magazin Frontal 21. Doch sie hat zwei Söhne (9 und 11) zu versorgen. Nach Abzug aller festen Kosten bleiben ihr 124 Euro. Sparen geht da nicht. Vor Jahren hat sie in einen Riestervertrag eingezahlt, doch den musste sie stilllegen, als das Geld knapp wurde.

Daniela Breng: „Ich möchte natürlich gern vorsorgen. Aber woher soll ich es nehmen. Es geht nicht.“

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (73, CDU) will die Betriebsrente fördern, kündigte sein Staatssekretär an.

Michael Meister, CDU, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, erklärte am 9. Mai 2016 in der Rheinischen Post: „Unser Ziel ist, dass Geringverdiener jährlich 400 bis 450 Euro für die Betriebsrente ansparen, ohne dass dadurch ihr Nettoeinkommen reduziert wird.“

Wie sich das rechnen soll, kann im Moment noch keiner sagen. Details werden noch erarbeitet. Nur soviel: Es soll eine Prämie geben: So wie bei den Riesterverträgen etwa 154 Euro. Aus Steuern. Geld, das wieder in unsicheren Versicherungsverträgen landen würde, warnt der Finanzmathematiker Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten aus Henstedt-Ulzburg in Schleswig-Holstein: „Die Schäuble-Ideen sind eine Art Neuauflage dessen, was wir schon bei Riesterverträgen vergeblich versucht haben. Hier sollen Steuergelder in Produkte gezahlt werden, wo aber die Produkte schlecht sind. Nicht das System, nicht die Rahmenbedingungen sind problematisch, sondern die Instrumente, mit denen angespart werden sollte. Das ist wie bei einer Autobahn, als würden Sie die Leitplanken erneuern, aber die Schlaglöcher nicht ausbessern.“

Der arbeitslose Postzusteller Silvio Sillge (50) beispielsweise musste seine Riesterrente kündigen und stottert sein Eigenheim ab, die einzige Altersvorsorge, die ihm bleibt. Betriebsrente illusorisch. Sillge: „Ich würde das Geld lieber jetzt nehmen. Dann weiß ich wenigstens, was ich habe. Man muss ja Angst haben, dass eine Versicherung pleite geht und das Geld dann futsch ist. Von daher hätte ich das Geld lieber in der Hand und wüsste, ich kann damit was machen.“

CSU-Chef Horst Seehofer (67) erklärte vor einem Vierteljahr am 8. April 2016 der Nachrichtenagentur DPA: „Die Riesterrente ist gescheitert“.  Etliche Geringverdiener konnten sich das Produkt nicht leisten, viele stiegen aus Geldnot vorzeitig wieder aus oder ließen den Vertrag stilllegen. Einen Grund zum Feiern hatte die Versicherungsbranche, weniger die Versicherten. Seehofer fordert eine neue Rentenreform.

Angeboten wird Arbeitnehmern eine Betriebsrente schon jetzt. Häufig in Form einer Entgeltumwandlung eines Teils des Bruttoeinkommens in eine Zusatzrente.

Die Bruttoentgeltumwandlung ist jedoch tückisch.

Sie lockt mit dem Versprechen, dass der Arbeitnehmer auf das in eine Betriebsrente umgewandelte Gehalt bis zur Rente keine Lohnsteuern und Sozialabgaben zahlen muss. Das klingt gut, hat aber im Alter folgen.

Professor Max Bofinger, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Würzburg: „Entgeltumwandlung bedeutet, dass der Teil meines Gehalts, den ich für die Altersvorsorge zurücklege, dass für den keine Sozialversicherungsbeiträge mehr gezahlt werden, und zwar weder vom Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber. Dieses Geld fehlt in der Rentenkasse. Und das schmälert dann auch den Teil, den ich später von der gesetzlichen Rentenversicherung bekomme.“

Was der Arbeitnehmer vorne spart, verliert er hinten, weil ihm Einzahlungen zur Rentenversicherung fehlen. Es lohnt sich also für Arbeitnehmer nur, wenn der Betrieb dazuzahlt. Doch das erhöht die Personalkosten, sagt Michael Goldschmidt, Aufsichtsratsvorsitzender der GSE Protect Gesellschaft für Sicherheit und Eigentumsschutz mbH mit Sitz in Potsdam. Goldschmidt: „Dort, wo wir bar mit zufinanzieren, erhöhen wir unsere Lohnnebenkosten, ohne dass gleichzeitig unser Produkt besser wird. Das heißt: Wir verabschieden uns dahingehend, dass unsere Arbeit von Technik übernommen wird, weil sie dann günstiger ist.“

Keine Zuschüsse vom Arbeitgeber also. Dabei zahlen Arbeitgeber durch den Niedriglohnsektor ohnehin weniger in die Rentenkasse. Dierk Hirschel, Chefökonom ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft mit Sitz in Berlin-Mitte: „Die Arbeitergeber haben sich in den letzten Jahren zunehmend aus der Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung verabschiedet. Und sie tragen auch nicht mehr hinreichend zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung bei. Das muss sich in Zukunft ändern.“

Hans-Josef Tenhagen, Chefredakteur Finanztip, sagte Frontal 21: „Wenn man das Rentensystem zukunftsfest machen will, dann geht es vor allem darum, für die Leute, die altersarm und von Altersarmut bedroht sind, das zu adressieren. Das erreicht man nicht mit 45 oder 47 statt 44 Prozent. Das erreicht man, indem man dafür sorgt, dass jemand, der wenig hat einzahlen können, aber lange gearbeitet hat, tatsächlich auch eine Rente hat, im gesetzlichen System, die auskömmlich ist.“

Wirtschaftsprofessor Bofinger: „Was wir brauchen, ist eine umfassende große Lösung, die ganz klar als Ziel hat: Wer sein Leben lang gearbeitet hat, der muss unbeding mehr Rente haben als jemand, der nicht gearbeitet hat. Dazu muss man die gesetzliche Rentenversicherung so gut es geht stärken.“

Es wird also wieder eine Reform der Reform geben müssen. Bundesarbeits- und sozialministerin Nahles hat schon mal eine Reform angekündigt. Alles stehe auf dem Prüfstand. Tabus dürfe es nicht geben. Mehr könne sie nicht sagen. Auf Nachfrage einer Journalistin in der Bundespressekonferenz, ob Nahles die Arbeitgeber stärker in die Pflicht nehmen werde, antwortete Nahles. „Über die Rentenreform diskutieren wir, wenn das Konzept erarbeitet ist. Und ich lege da Wert auf handwerkliche Seriosität. Aber die Details der Rentenreform kann ich jetzt noch nicht mit Ihnen diskutieren, weil wir noch nicht so weit sind.“

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23 KOMMENTARE

  1. hat sie bei der Letzten Betriebsrente nicht ein Gesetz gemacht das Rückwirkend drauf Sozialabgaben gezahlt werden müssen Danke Regierung somit ist es für den Arsch

  2. Nahles ,grosse Firmen haben Betriebsrenten ,im
    Handel zB gibt es die nicht und auch in anderen
    Bereichen nicht ,also reden Sie keinen Müll
    sind denn nur Schwachköpfe in der SPD

  3. Es fällt mir sehr schwer, diese Frau mit etwas POSITIVEN in Verbindung zu bringen ! Und so vermute ich, dass auch ihre neue „Rentenreform“ jedem einzelnen NICHTS bringen wird. Daher sage ich, NIE wieder SPD !!

  4. Mit keinem Wort wird erwähnt, daß bei der betrieblichen Altersvorsorge bei Eintritt der Rente für 10 Jahre lang monatlich Beiträge für die gesetzliche Krankenkasse und Pflegeversicherung zusätzlich bezahlt werden muss. Dies wurde damals unter der Regierung Schröders von Ulla Schmidt eingeführt. Wenn dies nicht geändert wird, würde ich jedem von der BAV abraten.

  5. Ja klar, jeder zahlt ein und wenn es dann zur Rentenauszahlung kommt ist das Geld weg, dank der schwarzen Null von Rolli und seinen Nachfolgern. Ich hatte zu Ostzeiten gleich von Beginn an jeden Monat in die FZR eingezahlt, monatlich 60 Ostmark, war viel Geld im Osten. Jetzt bekomme ich Rente, für die FZR bekomme ich im Monat 88Cent zu meiner Rente und muß trotzdem noch Grundsicherung in Anspruch nehmen. Derweil laufen hier die Flutschismit Markenklamotten durch die Gegend, ich kaufe mir bei ebay ein paar Schuhe für einen Euro und 4,99 Vesand.

  6. Für meine Geringverdiener braucht die Frau nichts mehr zu basteln, von vormals 25 Mitarbeiter habe ich zum 15.07 die letztverbliebenen 3 auch noch entlassen und arbeite alleine. Wie soll ich pro Mitarbeiter 8,50 zahlen, wenn nicht mal 4,50 erzielt wird brutto. Und wenn ich Staatliche Aufträge hatte, Zahlungsmoral mit halbem Jahr Verzug.

  7. Nahles bastelt mal wieder. Ist die im Handarbeitsunterricht ? Oder ist das etwa Jugend forscht ? Die hat in ihrem Aufgaben bereich noch nie eine Verbesserung für die Menschen herbeigeführt. Alles was die angepackt hat bisher gereichte den Menschen eher zum Nachteil. Hinterher sagt sie dann : “ Sorry hab mich geirrt. War nicht so gedacht. Usw.“.

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