Tiersammelstelle gekündigt! Wohin ab 2016 mit herrenlosen Hunden und Katzen in Berlin?

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Wohin mit herrenlosen Hunden in Berlin? Die einzige amtliche Tiersammelstelle wurde aus finanzieller Not vom privaten Betreiber, dem Tierschutzverein Berlin, zum Jahresende gekündigt. (Foto: Tierschutzverein Berlin)
Wohin ab 2016 mit herrenlosen Hunden in Berlin? Die einzige amtliche Tiersammelstelle wurde aus finanzieller Not vom privaten Betreiber, dem Tierschutzverein Berlin, zum Jahresende gekündigt. (Foto: Tierschutzverein Berlin)

Fleißig und mit preußischer Akribie führt der amtliche Tierfang Berlin darüber Buch, wann und wo in Berlin ein Hund oder eine Katze oder eine Schlange gefunden oder vermisst wird. Mehr brauchten die Mitarbeiter des „Amtes für regionalisierte Ordnungsaufgaben Büro Hunde- und Katzenfang“, das für ganz Berlin beim Bezirksamt Lichtenberg in der Große-Leege-Straße 103 angesiedelt ist, aber auch bislang nicht zu tun.

Denn um die Unterbringung, ärztliche Versorgung und Fütterung der aufgegriffenen Tiere kümmerte sich 25 Jahre lang der private und mit Spenden finanzierte Tierschutzverein für Berlin und Umgebung Corp. e.V. , der im Bezirk Lichtenberg im Ortsteil Falkenberg im Hausvaterweg 39 das Tierheim Berlin betreibt.

Das Fundbüro für Tiere auf dem Geländes Tierheims Berlin im Hausvaterweg 39 in Falkenberb in Berlin Lichtenberg ist die einzige amtliche Tiersammelstelle für Berlin. (Foto: Tierschutzverein Berlin)
Das Fundbüro für Tiere auf dem Gelände des Tierheims Berlin im Hausvaterweg 39 in Falkenberg in Berlin Lichtenberg ist die einzige amtliche Tiersammelstelle für Berlin. (Foto: Tierschutzverein Berlin)

Ehrenamtlich richtete der Verein auf seinem Gelände auch ein Fundbüro für Tiere ein, das dem amtlichen Tierfang als amtliche Tiersammelstelle dient und jeden Tag von 8 bis 16 Uhr und an gesetzlichen Feiertagen von 8 bis 12 Uhr geöffnet ist, während das Tierheim selbst montags und an gesetzlichen Feiertagen geschlossen ist und lediglich von dienstags bis sonntags von 11 bis 16 Uhr für die normale Tierannahme (ohen Tierfang) und Tiervermittlung Besucher empfängt.

Jedes Jahr stellt der Tierschutzverein von seinen 150 Tierheimmitarbeitern 25 Tierpfleger ab, die die manchmal verwahrlosten, manchmal misshandelten oder kranken Tiere in Quarantäne nehmen oder einfach nur in die vorgeschriebene Obhut von 5 Tagen (Hunde) und 3 Tagen (Katze) nehmen, in denen sich die Halter melden können, bevor die Tiere zur Weitervermittlung ans Tierheim übergeben werden.

Doch der Andrang im amtlichen Tierfang ist inzwischen so groß geworden, dass die Kosten die Möglichkeiten des Tierschutzvereins übersteigen.

Von den jährlichen Kosten von rund drei Millionen Euro für die Tiersammelstelle muss der Tierschutzverein für Berlin den Großteil selbst finanzieren. Nur rund zehn Prozent der anfallenden Kosten werden durch den Senat erstattet. „Wenn wir jetzt nicht die Notbremse ziehen, wird durch diese Schieflage die Existenz des Tierheims und dadurch auch der Tierschutz in Berlin aufs Spiel gesetzt“, sagt Wolfgang Apel, Präsident des Tierschutzvereins für Berlin e.V. (TVB).

Daher blieb dem Tierschutzverein nichts anderes übrig, als tatsächlich die Notbremse zu ziehen. Am 10. August 2015 gab der Tierschutzverein bekannt, dass er zum 31. Dezember 2015 den Vertrag über die Tiersammelstelle (TS) außerordentlich kündigt. „Die Unterbringung von Fundtieren ist eine gesetzliche, kommunale Verpflichtung. Dieser kommunalen Aufgabe kommt das Land Berlin kaum nach“, empört sich Apel.

Seit Jahren ist der TVB bemüht, den laufenden Vertrag den tatsächlich entstehenden Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Tiere aus der Tiersammelstelle wenigstens annähernd kostendeckend anzupassen. In den Jahren 2012 bis 2014 wurden den Behörden detaillierte Berechnungen vorgelegt, wie hoch die jährlich anfallenden Kosten tatsächlich sind.

Bei der Finanzierung der Tiersammelstellen gibt es bundesweit keine einheitliche Regelung. Einige Tierheime bekommen vom Staat eine jährlich anzupassende Pauschale, andere eine bestimmte Summe, beispielsweise bis zu einem Euro jährlich pro Einwohner (Jena, Essen). Andere übernehmen die Kosten bis zur Vermittlung vollständig (Hamburg). „Es gibt also durchaus annehmbare Finanzierungsmodelle“, sagt Wolfgang Apel.

„Die Verhandlungen mit der Stadt auf verschiedensten Ebenen – vom Bezirksamt Lichtenberg bis hin zu den zuständigen Senatoren – führten jedoch zu keinem Ergebnis. Niemand sieht sich zuständig oder verantwortlich, diese Beträge anzugleichen“, sagt Wolfgang Apel. Stattdessen werden die Bedingungen immer mehr erschwert. Der Senat beschließt beispielsweise ein neues Hundegesetz, ohne für die Folgekosten Regelungen getroffen zu haben. Dadurch ziehe sich der Senat nach Ansicht von Wolfgang Apel geradezu skandalös aus der Verantwortung. Auch fehle in Berlin im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen weiterhin eine Kastrationspflicht für privat gehaltene Katzen mit Freigang, was die Überpopulation von frei lebenden Katzen fördert. Dies belastet den TVB zusätzlich. Immer mehr Katzen müssen deshalb auch im Tierheim aufgenommen, tierärztlich versorgt und gepflegt werden. Jedes Jahr gibt der Verein immense Summen für die Kastration frei lebender Katzen aus.

Für die Tiersammelstelle gibt es seitens des Senats eine gesetzliche Verpflichtung, eine tiergerechte Unterbringung und Pflege von Fundtieren in Not geratener Tiere zu gewährleisten. Der TVB wird auch weiterhin kein Tier abweisen. „Allerdings stößt der TVB an seine Grenzen. Formelle Gründe, weshalb eine Anpassung der Kosten nicht möglich ist, wie von Teilen des Senats angeführt, dienen keinem Tier“, sagt Apel. Sich auf Ausschreibungsmodalitäten zu beziehen, zeige vielmehr, so Apel weiter, dass Teile des Senats das tierschützerische Engagement des TVB missbrauchen. Jetzt baue der Vorstand  auf den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, nachdem einige seiner Kollegen die Problematik bisher nicht ernst genommen haben.

Lediglich die Piratenpartei hat den Ruf des Tierschutzvereins erhört und die Brisanz des Themas erkannt, stößt aber im Senat noch auf Ahnungslosigkeit.

 

Der Pädagoge Philipp Magalski, Abgeordneter im Senat und Sprecher der Piratenpartei für Umwelt, Natur- und Tierschutz und Kulturpolitik, setzt sich für die Rettung der amtlichen Tiersammelstelle ein. (Foto: Piratenpartei)
Der Pädagoge Philipp Magalski, Abgeordneter im Senat und Sprecher der Piratenpartei für Umwelt, Natur- und Tierschutz und Kulturpolitik, setzt sich für die Rettung der amtlichen Tiersammelstelle ein. (Foto: Piratenpartei)

Der Abgeordnete Philipp Magalski, tierschutzpolitischer Sprecher der Piratenfraktion mit Kiezbüro in Friedrichshain (Wilhelm-Stolze-Straße 16), gab letzte Woche am 24. September 2015 bekannt:

„Der Senat hat in der heutigen Plenarsitzung auf die Frage, wie er die zum 31. Dezember  2015 gekündigte Tiersammelstelle des Tierschutzvereins Berlin retten will, weder gewusst, wer zuständig ist, noch eine Antwort geben können, wohin ausgesetzte und herrenlose Tiere nach Jahresfrist in Obhut gebracht werden können.“

Magalski fordert vom Senat: Die Tiersammelstelle muss gerettet werden!

Magalski: „Die Zuständigkeitsdiffusion des Senats ist unfassbar. Weder Senator Heilmann, der originär für Tierschutzfragen zuständig ist, noch Senator Henkel, der ahnungslos vorgeschickt wurde, konnten meine Frage, wie die Tiersammelstelle weitergeführt werden soll, beantworten.

Dies lässt nur den Schluss zu, dass niemand im Senat das Thema auf dem Schirm hat. Die Unterbringung von Fundtieren ist eine kommunale Pflichtaufgabe.  Bislang wurde sie vom Tierschutzverein unter schwierigsten finanziellen Bedingungen geleistet, aber nun gekündigt, da sie zu 3/4 nicht finanziell vom Land Berlin abgedeckt wird. Der Senat darf sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen und muss jetzt zügig einen Plan vorlegen, wie die Tiersammelstelle gerettet werden kann.“

Das Tierheim Berlin wurde nach der Wende in Berlin-Falkenberg ohne Unterstützung des Landes Berlin ausschließlich mit Spendengeldern gebaut. Auch die Tiersammelstelle, die aus mehreren Gebäuden besteht, wurde eigenfinanziert. Neben der Tiersammelstelle muss das Tierheim Berlin im Jahr rund vier Millionen Euro für Tierschutzfälle aufbringen, wovon ein großer Teil ebenfalls der Stadt zu Gute kommt.

Täglich werden im Tierheim Berlin zwischen 1500 und 1600 Tiere versorgt, darunter sind nicht nur Hunde, Katzen, Nager und weitere Kleintiere, sondern auch Exoten wie Reptilien, Tiere aus der Landwirtschaft und auch Affen. Dies wird nur weiter möglich sein, wenn das bürgerliche Engagement und das der 15.000 Mitglieder des TVB fortbesteht, es aber von staatlicher Seite nicht überstrapaziert wird.

„Der TVB hält für Berlin mit dem Tierheim Berlin eine besondere Infrastruktur bereit, ohne dass sich das Land an den Kosten beteiligte“, so der Vereinsvorsitzende Apel. Das geht nun mit der Kündigung der amtlichen Tiersammelstelle ab Januar 2016 nicht mehr. Wohin nächstes Jahr mit entlaufenen Hunden und Katzen in Berlin?

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  1. Man darf eine Tiersammelstelle doch nicht so einfach kündigen?!Gibt es da nicht eine Behörde die eingreifen kann? Eine Schande ist das!

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