Sprachlehrer: 3,10 Euro pro Flüchtling – „Unser Lohn ist ein Hohn“

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"Unser Lohn ist Hohn" riefen vor wenigen Tagen freiberufliche Deutsch-Integrationslehrer vor dem Bundesinnenministerium in Berlin Moabit und forderten auf Pappschildern "Faire Honorare" (Foto: Youtube/ZDF Frontal21)
„Unser Lohn ist ein Hohn“ riefen vor wenigen Tagen freiberufliche Deutsch-Integrationslehrer vor dem Bundesinnenministerium in Berlin Moabit und forderten auf Pappschildern „Faire Honorare“ (Foto: Youtube/ZDF Frontal21)

Vor wenigen Tagen demonstrierten Sprachlehrer vor dem Bundesinnenministerium in Berlin Moabit (Alt-Moabit 140), das dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg vorsteht. Sie forderten eine angemessene Bezahlung. In Sprechchören riefen sie: „Unser Lohn ist ein Hohn.“

Sprachlehrerin Corinna Kalbaß sagte dem ZDF-Magazin Frontal 21: „Wir sind alles qualifizierte, gut ausgebildete Lehrkräfte und werden eigentlich noch schlechter als der Mindestlohn bezahlt.“

Den Schulen laufen die Lehrkräfte davon. 

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat bislang rund 24.000 Lehrer für den Unterricht in Integrationskursen zugelassen. Sie müssen dafür neben einem akademischen Abschluss ein Zusatzstudium „Deutsch als Fremdsprache“ oder eine gleichwertige pädagogische Qualifikation vorweisen.

Doch trotz der hohen Qualifizierungsansprüchen zahlt das BAMF den rund 1.800 zugelassenen privaten und öffentlichen Trägern für Integrationskurse pro Flüchtling und Stunde 3,10 Euro. Das sei zu wenig, um die Sprachlehrer ordentlich zu bezahlen, kritisierte Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie ist Präsidentin der Volkshochschulen, die den Großteil der Sprachkurse im Auftrag des Bundes anbieten. VHS-Präsidentin Kramp-Karrenbauer forderte eine Erhöhung auf 4,40 Euro.

Denn laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft werden die Dozenten derzeit mit 20 Euro pro Unterrichtsstunde nicht angemessen bezahlt.

Eine akademisch gebildete Lehrkraft käme so im Schnitt auf ein monatliches Nettogehalt von 990, 85 Euro. Es gebe keine Beiträge zur Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- oder Pflegeversicherung, keinen Kündigungsschutz, keine Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Urlaub. Deshalb fordert die GEW grundsätzlich die Festanstellung und Gleichstellung der Integrationskurslehrkräfte mit Lehrern an öffentlichen Schulen.

Zum Vergleich: Ein angestellter Berufsschullehrer verdient mehr als das Doppelte: rund 2.300 Euro netto.

Dabei ist der Bund auf ihre Arbeit angewiesen:

Seit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes am 24. Oktober 2015 haben Asylsuchende aus Syrien, Iran, Irak und Eritrea sowie bestimmte Gruppen von Personen mit Duldungsstatus die Möglichkeit, am Integrationskurs des Bundes teilzunehmen. „Ziel ist es“, teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus Nürnberg am 19. Februar 2016 mit, „für  Personen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft in Deutschland bleiben werden, möglichst frühzeitig in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Das Interesse an den Integrationskursen ist hoch – seit Ende Oktober 2015 sind bereits über 65.000 Anträge (vorläufige Zahl, Stand 18.02.2016) auf Zulassung zum Integrationskurs eingegangen. Das zeigt, wie hoch das Interesse der Gruppe der Asylsuchenden ist, Deutsch zu lernen.“

Hartmut Wessel leitet die Sprachschule acb lingua in Bonn mit derzeit rund 400 Schülern. Warum bezahlt er seine Lehrer so schlecht?

Wessel sagte dem ZDF-Magazin Frontal 21: „Die Politik lässt uns da im Regen stehen. Wir haben das volle Risiko. Wir schließen Verträge mit den Dozenten. Wir bekommen ein kleines Geld und sollen damit eine super Leistung abliefern. Irgendwo hört das auf. Das muss schnellstens geändert werden.“

Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maiziere (CDU) ist der Chef des BAMF.

Nicht das Amt, sondern die Flüchtlinge sollen ihren Eigenanteil erhöhen.

Für Sozialhilfe- und ALG-II-Empfänger sind die Kurse kostenfrei, die übrigen zahlen einen Eigenanteil von 1,20 Euro pro Kursstunde. De Maiziere sagte dem ZDF: „Wir geben ungefähr eine halbe Milliarde Euro aus, umIntegrationskurse für möglichst viele zu öffnen. Und deswegen muss man mit der Erhöhung der Vergütung vorsichtig sein, damit wir auch alle Plätze sozusagen vollkriegen. Wenn die Eigenbeteiligung der Asylbewerber höher wird, was ich für richtig halte, dann können wir auch den Lehrkräften mehr bezahlen.“

In der CDU ist die Finanzierung von Sprach- und Integrationskursen von Flüchtlingen umstritten. Saarlands Ministerpräsidentin und CDU-Präsidiumsmitglied Annegret Kramp-Karrenbauer fordert die Bundesregierung auf, mehr Geld für die Bezahlung von Sprachlehrern bereitzustellen. „Wenn wir keine Lehrer mehr finden, weil einfach die Arbeitsbedingungen inakzeptabel sind, dann fällt das auf den Bund zurück. Der Bund steht hier in der Verantwortung. Wer bestellt, muss auch bezahlen“, sagte Kramp-Karrenbauer, die zugleich Präsidentin des Volkshochschulverbandes ist, in der ZDF-Sendung Frontal 21.

Zertifizierte Lehrer wie Stephan Pabel von der Bonner Lehrkräftegruppe kämpfen weiter für bessere Arbeitsbedingungen. 1.500 Unterschriften haben sie gesammelt. Manfred Terfurth vom Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Düsseldorf hat entgegengenommen und zeitnahe Bearbeitung versprochen.

 

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