Nach Drogen- und Waffenrazzia: Hells Angels Rocker (38) in U-Haft

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Die Hells Angels haben sich in Berlin und Potsdam neu strukturiert.
Die Hells Angels haben sich in Berlin und Potsdam neu strukturiert.

Bei einer  Drogenrazzia haben von Freitag, 18 Uhr, bis Samstag, 1.10 Uhr, 150 Polizisten sieben Lokalitäten in und um die Glücksspiel- und Rotlichtmeile Beusselstraße in Berlin Moabit durchsucht, darunter das Sportwettbüro Sjbet 23, das Cafe Mett 3 und das 23 Stunden geöffnete Automaten Casino 21. Ebenso eine Tiefgarage und 3 Wohnungen in Gesundbrunnen und im Spandauer Stadtteil Wilhelmstadt. Dabei beschlagnahmten die Beamten eine größere Menge Kokain und  Cannabis in handelsüblichen Schwarzmarkt-Verpackungen, Bargeld sowie mehrere Hieb- und Stichwaffen und drei scharfe Pistolen samt Munition. Vier Männer wurden festgenommen.

Gegen zwei von ihnen erließ ein Haftrichter am Samstag Haftbefehl.

Bei dem einen handelt sich um einen 38jährigen Rocker des Hells Angels Motorcycle Club East Area (kurz HAMC East Area) mit Sitz im Vereinslokal und Rockerkneipe „The other place“ in der Potsdamer Charlottenstraße 13. Er wurde in einem Moabiter Cafe in der Beusselstraße überrascht.

Bei dem anderen handelt es sich um einen 43-Jährigen, der sein Handlanger war.

Wegen des Verdachts auf Drogenhandel in nicht unerheblicher Menge kamen beide in Untersuchungshaft. Die zwei anderen Tatverdächtigen wurden nach erkennungsdienstlicher Behandlung wieder auf freien Fuß gesetzt.

Die Drogenermittlungen gegen das Hells Angels Mitglied und seine Helfer laufen nach Angaben der Staatsanwaltschaft Berlin seit Anfang des Jahres, nachdem das Landeskriminalamt auf die Spur des Rockers kam.

Eigentlich hatten sich ja die Hells Angels offiziell im Jahr 2012 aus Berlin und Potsdam verabschiedet.

Der „Hells Angels MC Berlin City“ sowie die Unterstützer-Klubs „Berlin City MG 81“ und „Berlin City Crew 81“ lösten sich in der Nacht zum 29. Mai 2012 selbst auf. Dasselbe machte der Hells Angels MC Potsdam im Juni 2012.

Doch, wie sich herausstellte, war das offenbar nur ein Schachzug, um einem geplanten Verbot in Berlin und Potsdam aus dem Weg zu gehen.

Die Hells Angels stellten sich danach organisatorisch völlig neu auf. Im alten Vereinsheim in der Charlottenstraße 13 in Potsdam wurde noch im selben Jahr 2012 ein neuer Hells Angels Club gegründet: der Hells Angels MC East Area.

Allerdings zunächst ohne Klubschild. Im Mai 2013 tauchte dann für kurze Zeit das Schild „Hells Angels MC East Area“ auf. Es verschwand im August 2013 wieder. Doch vor dem Haus Charlottenstraße 13 sind nach wie vor die bulligen Herren anzutreffen, zwar ohne Kutte, aber mit Motorrädern, die hinter dem Haus geparkt werden. Es soll sich um 40 Mitglieder handeln

Auch in Berlin gründeten sich noch im Sommer 2012 neue sogenannte Charter.

Aktuell sind die etwa 450 Berliner Hells Angels in die drei Vollcharter HAMC Berlin, HAMC East District und HAMC Nomad gegliedert. Sie verfügen über kein eigenes Clubhaus, sondern unterhalten lediglich Verkehrslokalitäten. Ein beliebter Treffpunkt ist der Germanenhof in der Zingster Straße 12 in Neu-Hohenschönhausen. Darüber hinaus hat der Hells Angels MC East Area mit Sitz in Potsdam seinen Wirkungskreis auch auf Berlin entfaltet, heißt es aus Polizeikreisen.

Die Hells Angels verfügen über eine sehr große Unterstützergruppierung in Berlin. Sie nennt sich Red Devils MC  und verfügt derzeit über sieben Charter in Berlin, die in zwei Clubhäusern in Weißensee und Treptow-Köpenick  residieren, so die jüngste Beobachtung der Polizei-Ermittler.

Die konkurrierenden Rockerbruderschaften Bandidos und Gremium haben erheblich an Einfluss verloren, zahlreiche Mitglieder sind zu den Hells Angels übergelaufen, ein Ableger der Bandidos in Hennigsdorf gleich hinter Berlin Heiligensee hat sich aufgelöst.

Dadurch kontrollieren die Hells Angels mehr Kneipen und Bordelle und über Sicherheitsdienste und Diskotheken auch stärker den Drogenhandel als alle anderen Rockergruppen in der Hauptstadtregion. Diese Region ist für die kriminellen Geschäfte im gesamten Osten, aber auch in Richtung Osteuropa von strategischer Bedeutung.

Trotz der neuen Struktur der Hells Angels in Potsdam gehen die Sicherheitsbehörden vorerst nicht von einer Verlagerung der Rockerkriminalität von Berlin nach Brandenburg aus. Bei den Verschiebungen innerhalb der Szene in der Hauptstadtregion gehe es vor allem um die veränderte organisatorische Anbindung der einzelnen Mitglieder.

Die drei Charter der Hells Angels Berlin und die sieben Charter des Unterstützerklubs Red Devils MC ziehen junge Menschen mit Migrationshintergrund an. Der Weddinger Kadir Padir (31)  und sein Stellvertreter Ibrahim Karadag übernahmen die Führung der türkischstämmigen Rocker.  Beide öffneten den HAMC Berlin für Migranten, nachdem sie als Chefs des Konkurrenzklubs Bandidos mit 80 Gefolgsleuten zu den Hells Angels übergelaufen sind. Der Überläufergrund war, dass die Bandidos, welche vor allem Kleinkriminelle angeworben hatten, im grenzüberschreitenden Drogenhandel nicht die Anerkennung und den Ruf erreichen konnten, wie ihn die Hells Angels bei Klubbesitzern und Dealern schon lange innehatten.

Die Hells Angels genießen außerdem in den von Migranten und Ausländern bewohnten Kiezen – in Reinickendorf, im Wedding und in Neukölln – bei etlichen jungen Menschen ein hohes Ansehen. In Cafés, Fitnessstudios und Händlergeschäften treffen Rocker und Jugendliche regelmäßig aufeinander. „Die Rocker geben uns ein gutes Gefühl“, begründen Deutsch-Türken immer wieder ihre Sympathie zum Klub, wenn man sie danach fragt.

Doch der aktuelle Führer der hauptstädtischen Hells Angels, Kadir Padir, sitzt in U-Haft. Er muss sich gerade wegen eines mutmaßlichen gemeinschaftlichen Mordes vor dem Landgericht Berlin verantworten. Und nach seinem Vize, Ibrahim Karadag (32), besser bekannt als Ibo, der sich im Dresdener Rotlichtmilieu einen Namen gemacht haben soll, fahndet die Polizei mit internationalem Haftbefehl. Er gilt in dem vor Gericht verhandelten Mordfall ebenfalls als mutmaßlicher Täter.  Die Ermittler vermuten, dass er sich in der Türkei in Izmir versteckt hält. Zudem kursiert die Information, dass er kürzlich angeblich in Berlin gesehen worden sein soll.

Der Mord, um den es geht, geschah am 10. Januar 2014. Da trotteten zwölf Vermummte im Gänsemarsch in das Wettbüro mit Lokal „Expect“ in der Residenzstraße in Reinickendorf. Der erste und der letzte Mann mit gezückter Pistole. Die Täter feuerten acht Schüsse ab, sechs davon trafen das Opfer, Tahir Ö. (26), der im Kugelhagel starb. Das Opfer soll mit den Bandidos sympathisiert haben, so das Motiv.

Im Fall des nun verhafteten 38jährigen Hells Angels Rockers aus der Potsdamer Charter Hells Angels MC East Area geht es um Drogenhandel in nicht unerheblicher Menge.

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