Jenoptik AG trauert um „Cleverle“ Lothar Späth (78)

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"Ich hatte ein erfülltes Leben, und das ist das Wichtigste", sagte Ex-Landesschef von Baden-Württemberg und Retter von Jenoptik in Thüringen Lothar Späth, der gestern im Alter von 78 Jahren in einem Demenz-Pflegeheim bei Stuttgart starb (Foto: Jenoptic AG)
„Ich hatte ein erfülltes Leben, und das ist das Wichtigste“, sagte Ex-Landesschef von Baden-Württemberg und Retter von Jenoptik in Thüringen Lothar Späth, der gestern im Alter von 78 Jahren in einem Demenz-Pflegeheim bei Stuttgart starb (Foto: Jenoptic AG)

Die Schwaben nannten ihren Ministerpräsidenten Lothar Späth (CDU) „Cleverle“, die Jenaer gaben ihm die Ehrenbürgerschaft, weil er Jena zum Optical Valley machte.

„Wir sind tief betroffen, dass Lothar Späth, der langjährige Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende der Jenoptik, im Alter von 78 Jahren in Stuttgart verstorben ist“, teilte gestern Jenoptik-Konzern-Sprecherin Katrin Lauterbach aus Thüringen mit.

Lothar Späth, der von 1978 bis 1991 als Ministerpräsident die Geschicke des Landes Baden-Württemberg leitete und wegen seiner wirtschaftlichen Erfolge den schwäbischen Spitznamen „Cleverle“ bekam, war zuletzt an Demenz erkrankt und wurde in einem Heim gepflegt, wo er gestern verstarb.

Seine politische Karriere beendete Späth, nachdem ihm im Zusammenhang mit der „Traumschiff-Affäre“ Vorteilsnahme bei Ferienreisen vorgeworfen worden war. Er trat am 13. Januar 1991 von seinem Amt als Regierungschef zurück und legte am 31. Juli 1991 auch sein Mandat als Landtagsabgeordneter nieder.

Späth wechselte erfolgreich in die Wirtschaft. Lothar Späth hat die Geschicke von Jenoptik 16 Jahre lang gelenkt. Im Juni 1991 wurde er Geschäftsführer der JENOPTIK GmbH, der Rechtsnachfolgerin des VEB Carl Zeiss Jena.

Am 16. Juni 1998 führte er Jenoptik als erstes ostdeutsches Hightech-Unternehmen an die Börse.

Im Juni 2003 wechselte Lothar Späth vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsrat des Unternehmens, dem er bis Juni 2007 vorsaß.

Im Mai 2005 wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung der New Yorker Investmentbank Merrill Lynch für Deutschland und Österreich, zudem war er von 2006 bis 2007 Aufsichtsratsvorsitzender der Stuttgarter Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck der Milliardäre und Geschwister Stefan von Holtzbrinck und Monika Schoeller (Tagesspiegel, Handelsblatt, DIE ZEIT). Von Juli 2007 bis April 2013 war er Aufsichtsratsvorsitzender der J&M Management Consulting AG mit Sitz in Mannheim. Von 1998 bis September 2012 war er ebenfalls Aufsichtsratsvorsitzender des Tunnelvortriebsmaschinen-Bauers Herrenknecht AG aus Schwanau in Baden-Württemberg.

„Lothar Späth war einer der bedeutenden Politiker und Unternehmer zugleich. Mit ihm verliert nicht nur Jenoptik einen Menschen, der mit Weitblick, Mut und Können viel bewegt und geschaffen hat. Wir trauern um Lothar Späth, der die erfolgreiche Entwicklung unseres Unternehmens begründet hat“, sagte Michael Mertin, Vorstandsvorsitzender der JENOPTIK AG. Lothar Späth habe mit Mut und strategischem Weitblick in marktwirtschaftliche Prozesse investiert und damit auf das Können und die Einsatzbereitschaft der Menschen vertraut.

„Mit seiner unvergleichlichen Kombination aus strategischer Konsequenz, pragmatischem Einfallsreichtum und menschlichem Feingefühl hat Lothar Späth den Aufbau von Jenoptik gestaltet. Aus den historischen Gegebenheiten der Nachwendejahre heraus prägte er die gesamte Region. Wir werden ihm ein ehrendes und von großer Dankbarkeit geprägtes Andenken bewahren“, sagte der Jenoptik-Aufsichtsratsvorsitzende Matthias Wierlacher.

„Es ist seiner Initiative zu verdanken, dass Jenoptik überlebte und als Unternehmen die Chance hatte, sich zu einem heute erfolgreichen Global Player zu entwickeln“, so Michael Mertin. Er hat es geschafft, dass sich Teile des ehemaligen Industriekombinates nach der Wende neben Zeiss und Schott erfolgreich im vereinigten Deutschland behaupten konnten.

Er machte Jena zum Optical Valley

Jenoptik-Konzern-Sprecherin Katrin Lauterbach: „Mit Akquisitionen, von denen viele heute fundamentaler Bestandteil der Jenoptik sind, erschloss er sich zunächst Absatzkanäle für das umfassende Wissen rund um optische Technologien, das die gesamte Stadt Jena prägte und sie zum Optical Valley machte. Mit Weitsicht und Prognosen der tiefgreifenden Veränderungen, welche auf ostdeutsche Kommunen in den 1990er Jahren zukommen sollten, beeinflusste er auch maßgeblich die Entwicklung der Stadt.

Kernpunkte waren seine Entscheidungen für einen zügigen Umbau des einstigen Hauptwerkes im Herzen von Jena, der Aufbau eines „Investor-Zentrums“ als Anlaufpunkt für internationale Investoren, die Etablierung anerkannter Institute sowie die Bündelung von Start-up-Unternehmen in der DEWB AG als Beteiligungsgesellschaft, damals noch unter dem Dach der Jenoptik.

Nicht nur in der Wirtschaft, auch beim gesellschaftlichen Engagement galt Lothar Späth als Vorreiter. Er etablierte im Leitbild der Jenoptik ein kontinuierliches kulturelles und soziales Engagement. Er knüpfte die Beziehungen zum US-amerikanischen Künstler Frank Stella, startete die Jenoptik-Kunstsammlung und etablierte die firmeneigene Ausstellungsreihe „tangente“ am Standort Jena.

Lothar Späth hat mit seinem Namen und seinem stetigen Drang nach Neuem nicht nur der Jenoptik, sondern der ganzen Region Türen geöffnet. Seit 1997 ist er Ehrenbürger der Stadt Jena.

Unser Beileid gilt der Familie und allen Freunden und Wegbegleitern von Lothar Späth.“

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