Kein Beweis für Scheinselbständikeit im Puff Artemis: Brüder Hakki Ismail und Kenan S. wieder frei

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Trotz angeblich geregelter Dienstzeiten und Maßnahmen bei Verstößen konnte die Staatsanwaltschaft dem Kammergericht Berlin nicht nachweisen, dass die täglich rund 50 Prostituierten im Artemis, dem größten Puff Berlins, abhängig beschäftigt, also scheinselbständig, arbeiten würden, die beiden Bordellbesitzer Hakki Isamail und Kenan Simsek aus Würzburg wurden daher gestern nach dreieinhalb Monaten U-Haft aus der JVA-Moabit entlassen (Foto: Youtube/BILD)
Trotz angeblich geregelter Dienstzeiten und Strafenkatalog bei Verstößen konnte die Staatsanwaltschaft dem Kammergericht Berlin nicht nachweisen, dass die täglich rund 50 Prostituierten im Artemis, dem größten Puff Berlins, abhängig beschäftigt, also scheinselbständig, arbeiten würden. Die beiden Bordellbesitzer Hakki Ismail und Kenan S. aus Würzburg wurden daher gestern nach dreieinhalb Monaten U-Haft aus der JVA-Moabit entlassen (Foto: Youtube/BILD)

Sie wurden mit Al Capone verglichen. Aber nach dreieinhalb Monaten U-Haft wurden gestern um 16:07 Uhr die beiden türkisch-kurdischen Brüder und Artemis-Bordellinhaber Hakki Ismail (53) und Kenan (51) S. aus Würzburg mit schweren Luxuslimousinen aus der JVA Berlin Moabit abgeholt. Ihre Haftbefehle waren aufgehoben worden, weil die Staatsanwaltschaft Beweise für Scheinselbständigkeit der Prostituierten und Steuerhinterziehung der Puff-Betreiber schuldig blieb.

Die beiden Würzburger Spielotheken-Besitzer (Spielothek-Bonus-GmbH & Co. KG) und Solardachanlagen-Vermittler (IIC Energy GmbH & Co. KG) betreiben seit September 2005 an der Berliner Stadtautobahn in der Halenseestraße 32 bis 36 auf 4.000 Quadratmetern den größten Puff Berlins. Fünf Millionen Euro habe die Investition in eine leere Lagerhalle im Schatten des Berliner Funkturms nach eigenen Angaben gekostet. Im heutigen Eintrittspreis von 80 Euro (Taxifahrer und Rentner sonntags und montags zum halben Preis) sind aber von täglich 11  bis 5 Uhr nur eine Flatrate für Softdrinks, Frühstücks- und Abendbrotbuffet, Wellness, 2 Saunen, 1 Hamam, 2 Sexkinos, Fitness und das Nackt-Sonnen auf der Dachterasse drin. Die täglich anwesenden „über 50 ultimativen Premiumgirls“ müssen für ihre erotischen Dienste extra bezahlt werden. Denn die Prostituierten arbeiten als Selbständige im Haus der Brüder. Der Preis ihrer Leistung ist Verhandlungssache und reicht in der Regel von 50 bis 150 Euro.

Doch weil es feste Dienstpläne gegeben haben soll und einen harten Strafenkatalog, wenn die Frauen nicht den Vorgaben nachgekommen wären, und auch ärztliche Versorgung geregelt wurde, bezweifelte die Berliner Staatsanwaltschaft die Selbständigkeit der Damen, vermutete eine abhängige Beschäftigung (Scheinselbständigkeit) und rückte am Abend des 13. April 2016 am FKK- und Saunaclub Artemis sowie an 16 Privat- und Geschäftsadressen mit 900 Polizisten, Mitarbeitern des Hauptzollamtes und sogar des SEK an (die Bordell-Brüder S. hätten bewaffnet sein können, immerhin sollen Hells Angels freien Eintritt haben), wie Berlin Journal berichtete.

Der Vorwurf: Die Brüder hätten Sozialabgaben in Höhe von 17 Millionen Euro und Steuern in Höhe von 6 Millionen Euro hinterzogen. Die Brüder wurden verhaftet. Und sechs Empfangs- und Hausdamen, die im Puff für Ordnung sorgen, gleich mit. Die Brüder dürfen als millionenschwer gelten: Das Eigenkapital der Artemis GmbH aus der Halenseestaße 32 betrug laut letztem Jahresabschluss für 2014 rund 8 Millionen Euro, der Bilanzgewinn rund 3,2 Millionen Euro, die Brüder gaben sich selbst eine Kreditaufstockung aus dem Puff auf rund 2 Millionen Euro, während die latente Steuerlast der Artemis GmbH wegen vieler Verbindlichkeiten nur bei jährlich rund 144.000 Euro liegt.

Doch die Vorwürfe bröckelten. Der Staatsanwaltschaft gelang kein Beweis für die Scheinselbständigkeit der Prostituierten. Die Artemis-Hausdamen wurden deswegen schon vor ein paar Wochen aus der U-Haft entlassen.

Gestern folgten die beiden Hauptverdächtigen Hakki Ismail und Kenan S. Mit weit ausgebreitetn Armen und breitem Lachen schoss Kenan aus der Gefängnispforte zur Luxuslimousine.

Noch im Mai 2016 hatten die Brüder S. wohl nicht so recht an ihre schnelle Freilassung geglaubt.

Am 9. Mai 2016 waren die beiden Kaufmänner und Inhaber von ihren Geschäftsführerposten bei der  Artemis GmbH zurückgetreten und haben dafür den unbedarften Bayern Florian Gram (34) aus Güntersleben als Geschäftsführer eingestellt, der am 30. Juni 2016 eigens in der Kastanienalle 14 in Berlin Westend eine eigene Firma zum Führen von Unternehmen gründete: die artmax Verwaltungs GmbH. Obwohl die Brüder bereits seit Juli 2005 eine solche Firma am Kurfürstendamm 30 in Berlin Charlottenburg innehaben.

Zur Vorsicht übergab Kenan S. auch noch die Geschäftsführung des Puffeigenen Sicherheitsdienstes Artemis Objektbetreuungsgesellschaft mbH in der Halenseestraße 32 am 2. Juni 2016 in die Hände des angeheuerten Geschäftsführers Florian Gram.

Am Tag nach den Maßnahmen im April 2016 hatte die  Staatsanwaltschaft eine hochkarätig besetzte Pressekonferenz gegeben. Der damalige Behördenleiter lobte ausdrücklich die Arbeit und verglich die Methoden der Festgenommenen mit dem Mafia-Gangster Al Capone.

Nach B.Z.-Recherchen kam das Kammergericht in seinen Entscheidungen zu niederschmetternden Urteilen zu den bisherigen Ermittlungen. Es sei bislang nicht im Ansatz nachgewiesen, dass die Frauen tatsächlich als Scheinselbstständige gearbeitet hätten.

Im Gegenteil: Nach Aktenlage würden sie offenbar sehr wohl als freiberufliche Prostituierte tätig sein. Dies sei auch durch zahlreiche Zeuginnen nach der Durchsuchung bestätigt worden. Außerdem hätten die Betreiber mit den Behörden immer gut kooperiert. Sie seien sogar auf das Finanzamt zugegangen, um die Problematik der Beschäftigung von Prostituierten zu erörtern.

Polizeirepoerter Peter Rossberg schreibt in der B.Z. von einem „Scherbenhaufen“, vor dem die Staatsanwaltschaft nun stehe.

Das Finanzamt hätte an der Praxis des Artemis nichts auszusetzen gehabt. Regelmäßige Kontrollen durch Hauptzollamt, Landeskriminalamt und Finanzamt hätten darüber hinaus nie etwas gebracht.

Für die ermittelnden Staatsanwälte sind die aufgehobenen Haftbefehle mit ihren Begründungen ein herber Rückschlag. Die Verfahren sollen zwar weitergeführt werden. Aber eine mögliche Anklageerhebung scheint in weite Ferne gerückt zu sein.

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6 KOMMENTARE

  1. Wie man einen Puff mit Kriminalität in Verbindung bringen kann, weiß ich so wie so nicht. Das sind doch alles „Ehrenmänner“ und keine Zuhälter.

    • Dumm dümmer am dümmsten, ich kenne genug Frauen die das eben machen und zwar weil sie verdienen wollen. Dazu noch etliche Hobby huren. Das es auch zwang gibt unbestritten, aber nun nicht alles über ein Kamm scherren.

  2. Die Berliner Justiz bzw. Polizei dramatisiert Gegebenheiten in Puffs; man sollte sich lieber um die Salafistenszene und Zustände in Moscheen sowie Migrantenunterkünften kümmern. Michael Kiesen, Autor u.a. Roman „Halbmond über Berlin“

  3. Da wird man sich wohl in Zukunft wieder auf HartzIV konzentrieren, weil da einer wieder 100 Euro von der Omma überwiesen bekam…

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