200 Brandenburger Bauern von Eigeninsolvenz der KTG Agrar SE betroffen

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Der Oranienburger Siegfried Hofreiter (54) musste gestern als Vorstandsvorsitzender der börsennotierten KTG Agrar SE am Hauptsitz in Hamburg für den Konzern Eigeninsolvenz beantragen, weil knapp 18 Millionen Euro fällige Zinsen am 6. Juni 2016 für eine 2011 begebene Firmenanleihe KTG Biowertpapier II nicht gezahlt werden konnten (Pressefoto: KTG Agrar SE)
Der Oranienburger Siegfried Hofreiter (54) musste gestern als Vorstandsvorsitzender der börsennotierten KTG Agrar SE am Hauptsitz in Hamburg für den Konzern Eigeninsolvenz beantragen, weil knapp 18 Millionen Euro fällige Jahreszinsen am 6. Juni 2016 für eine 2011 begebene Firmenanleihe KTG Biowertpapier II nicht gezahlt werden konnten (Pressefoto: KTG Agrar SE)

Gestern war ein schlechter Tag für 200 Pflanzenbauern in Brandenburg. Sie gehören zu den 1.000 Mitarbeitern, die auf insgesamt 45.000 Hektar in Ostdeutschland, Bayern, Österreich, Littauen und Rumänien Kartoffeln, Soja, Getreide, Raps, Rüben und Beeren (Berliner Beerengärten) anbauen. Die Felder gehören der seit 2007 an der Frankfurter Wertpapierbörse notierten KTG Agrar SE mit Hauptsitz an der Hamburger Binnenalster (Ferdinandstraße 12) und Verwaltungssitz in Oranienburg-Tiergarten (An den Eichen 1).

Die beiden Oranienburger Siegfried Hofreiter (54) als Vorstandsvorsitzender und Beatrice Ams (45) als Aufsichtsrätin und 46prozentige Inhaberin (der Rest ist Streubesitz) mussten gestern beim Amtsgericht Hamburg für die KTG Agrar SE (Umsatz 2014: 297,7 Millionen Euro) Eigeninsolvenz beantragen, weil knapp 18 Millionen Euro fällige Jahreszinsen am 6. Juni 2016 für eine 2011 begebene Firmenanleihe KTG Biowertpapier II nicht gezahlt werden konnten, wie die KTG Agrar SE gestern in einer ad-hoc-Meldung bekannt gab.

Die 87 Tochterunternehmen des Konzerns seien laut KTG Agrar SE von dem Eigeninsolvenzantrag der Muttergesellschaft nicht betroffen. Hofreiter teilte in der ad-hoc-Meldung außerdem mit: „Der operative Betrieb wird fortgeführt, insbesondere die Einbringung der Ernte auf über 45.000 Hektar. Zur Deckung der Löhne und Gehälter wird umgehend eine Insolvenzgeldvorfinanzierung in die Wege geleitet. Ziel der Beteiligten ist es, das Unternehmen und die KTG-Gruppe langfristig zu erhalten und möglichst viele Arbeitsplätze an den Standorten zu sichern. Der Vorstand und der vorläufige Sachwalter werden hierfür die Optionen ausloten und in Abstimmung mit den Hauptgläubigern einen Sanierungsplan erarbeiten.“

Als vorläufigen Sachwalter werde der Aufsichtsrat einen Chief Restructuring Officer (CRO) in Person von Rechtsanwalt Jan Ockelmann aus der Sozietät JOHLKE Rechtsanwälte in den Vorstand der KTG Agrar SE berufen. Hofreiter: „Er verfügt über langjährige Kontakte zu landwirtschaftlichen Betrieben und Beratern. Er ist zudem selbst seit vielen Jahren als Insolvenzverwalter tätig und mit den Besonderheiten eines Eigenverwaltungsverfahrens vertraut.“

Seit 12 Jahren kauft die KTG Agrar SE Ackerland und Agrarbetriebe massenhaft auch in Brandenburg auf. Nun hat sich KTG Agrar SE offenbar überhoben, was laut rbb AKTUELL „nicht alle hierzulande Tränen in die Augen treibt.“

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes e.V. aus der Claire-Waldoff-Straße 7 in Berlin-Mitte, dem größten landwirtschaftlichen Berufsverband in der Bundesrepublik, sagte dem rbb: „Die Frage ist, ob es da eine Nachfolgegesellschaft gibt. Ja oder nein. KTG ist auf jeden Fall kein Modell, für das der Deutsche Bauernverband steht. Wir stehen für familienbetriebene Landwirtschaft. Das heißt für uns in den jüngeren Bundesländern: mehr Familienbetriebe. Und keine Aktiengesellschaften.“

Für Bauer Manfred Wercham aus Letschin-Wilhelmsaue im Landkreis Märkisch-Oderland ist die KTG wie eine Krake, die alles frißt, was sie zu fassen bekommt. 45.000 Hektar Land gehören dem Unternehmen. Die Insolvenz sei die Folge von Größenwahn, meint der Landwirt, der auch Vorstand des Bauernbundes Brandenburg e.V. mit Sitz An der Dorfstraße 20 in Lennewitz in der Prignitz ist: „Wer viel haben will, der kann auch Pech haben, dass er zuviel hat und zu hoch gepokert hat. Wenn sie eine große Dividende versprechen (die Anleihe wurde mit 7,125 Prozent pro Jahr verzinst – Anmerkung der Redaktion), dann müssen sie die auch halten. Aber wenn man nur große Neutechnik kauft, dann ist das eine ganz teure Sache. So viel Geld in die Hand zu nehmen und dann mit Riesentreckern Rüben zu drillen, das ist alles auch unökonomisch.“

Bei der Neuausrichtung von KTG Agrar SE werden in den kommenden Monaten laut rbb-Reporter Carsten Krippahl große Landverkäufe nicht ausgeschlossen.

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